Rede zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt

Herr Präsident, werter Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst Herrn Kollegen Oostlander zu diesem sehr guten und ausgewogenen Bericht gratulieren.
Es gibt ja einige in unserem Haus, die meinen, die Türkei sollte kein Kandidatenland sein. Leider gibt es dazu keinen klaren und eindeutigen Antrag, denn dann könnte man auch die Mehrheit in diesem Haus klar feststellen. Ich bin der Meinung, die Türkei sollte ein Kandidatenland bleiben, so wie sie es jetzt ist. Es ist schon zuzugeben, dass sie kein Kandidatenland wie viele andere ist, wo der Prozess relativ leicht in relativ wenigen Jahren abgewickelt werden kann. Die Türkei ist in einer besonderen Lage. Die Türkei hat leider – und ich gebe zu, vor allem auch jene Regierungen, die sich klar zum säkularen Staat bekennen – in den vergangenen Jahren wenig getan, um die Fortschritte, die auch heute wieder mit Recht angemahnt worden sind, zu beschließen und auch umzusetzen. Die letzte Regierung – die AKP-Regierung – hat aber doch einen sehr deutlichen Reformwillen gezeigt und deutliche Reformschritte getan. Vielleicht gibt es manche in diesem Haus, die genau deshalb, weil es eine AKP-Regierung ist, die Fortschritte macht, meinen, die Türkei sollte nicht länger ein Kandidat bleiben. Ich meine jedoch, es gibt sehr gute Gründe, den Kandidatenstatus beizubehalten, und es gibt sehr viele gute Gründe – nämlich Gründe für Europa -, darauf zu drängen, dass die Reformen nicht nur fortgesetzt, sondern auch umgesetzt werden.
Sicher ist das eines der entscheidenden Probleme. Ich bitte die Kommission, bei ihrem Bericht für die Entscheidung des Rates – und es ist eine Entscheidung des Rates, und es soll eine Entscheidung des Rates bleiben – sich nicht nur – und ich weiß, Kommissar Verheugen wird das auch so tun – darauf zu beschränken zu beurteilen, was entschieden worden ist, sondern auch was umgesetzt worden ist. Es wäre aus meiner persönlichen Sicht schon eine sehr große Leistung, wenn auch bei der Umsetzung der Maßnahmen, die die Türkei beschlossen hat, bis zum Ende dieses Jahres sichtbare Fortschritte erzielt würden.
Was die Rolle des Militärs betrifft, ist ebenfalls Wesentliches geschehen. Die Rolle ist eindeutig zurückgedrängt worden. Wenn es heute – wie Kommissar Verheugen gesagt hat – eine positive Haltung der türkischen Regierung in der Zypern-Frage gibt, dann hängt das eben damit zusammen, dass die Rolle des Militärs zurückgedrängt worden ist. Denn wenn es einen entscheidenden Punkt gegeben hat, in der bisher das Militär eine Blockierung veranlasst hat, dann war das natürlich bei den Verhandlungen über Zypern. Das ist nicht zuletzt auf der türkischen Seite auch eine Frage des Beweises oder des Nicht-Beweises, ob die Rolle des Militärs wirklich zurückgedrängt worden ist.
Was die Achtung der Menschenrechte betrifft, ist ganz klar, dass wir Fortschritte gesehen haben, aber noch viel mehr brauchen. Das betrifft auch die Kurdenfrage. Ich weiß, dass dies ein sehr heikles Thema für die Türkei bleibt. Das gilt natürlich auch im Zusammenhang mit der Achtung der Grenzen zu den Nachbarländern, auch zu Nachbarländern, wo es eine kurdische Bevölkerung gibt. Allerdings muss man natürlich auch davon ausgehen, dass von solchen kurdischen Regionen keine militärischen oder terroristischen Aktionen gegenüber der Türkei ausgehen.
Ich sage daher nochmals: Ich glaube, wir sollten streng bei der Linie bleiben, wir sollten streng die Einhaltung der Kriterien überprüfen, so wie wir es bei allen anderen Ländern tun.
Zum Abschluss noch ein Wort zu Zypern: Ich hoffe, dass es gelingen wird, eine Lösung zu finden. Ich danke dem Kommissar Verheugen sehr für seine Anstrengungen. Aber es muss – das muss uns klar sein – für Zypern eine Lösung sein, die Zypern gerecht wird, aber auch Europa gerecht wird, so dass ein Land der Europäischen Union beitritt, das auch fähig ist, an den Entscheidungen Europas tatkräftig mitzuwirken.