Rede zum Gesetzgebungs- und Arbeitsprogramm der Kommission für 2006 (Fortsetzung)

Hannes Swoboda, im Namen der PSE-Fraktion. – Herr Präsident, Frau Vizepräsidentin! Ich kann mir zunächst eine Bemerkung nicht verkneifen. Frau Grossetête, Ihre Fraktion hat verlangt, dass wir heute diese Debattenrunde haben. Wenn ich mir aber die Präsenz Ihrer Fraktion anschaue, dann ist das nicht gerade berauschend.
Frau Vizepräsidentin, wir haben den großen Vorteil, die Kommission dort zu unterstützen, wo wir glauben, dass sie den richtigen Weg geht, und sie dort zu kritisieren, wo wir glauben, dass es Mängel gibt. Was den Plan D betrifft – um damit zu beginnen, wofür Sie persönlich verantwortlich sind -, so werden Sie in dieser Fraktion volle Unterstützung finden. Ich hoffe, dass es Ihnen im nächsten Jahr auch persönlich möglich sein wird, mit voller Kraft die Frage der Verfassung und die Diskussion darüber dem Bürger näher zu bringen und so Ihre Leistung zu vollbringen.
Was die Kritik von Präsident Barroso am Budgetentwurf der Präsidentschaft betrifft – er hat gemeint, das sei ein Minibudget für ein Minieuropa -, so teilen wir diese Kritik. Unser Vorsitzender Martin Schulz hat das auch klar zum Ausdruck gebracht. Ich hoffe, dass der Präsident in den Gesprächen stark genug bleibt, um die Interessen ganz Europas durchzusetzen.
Was die Frage der better regulation betrifft, so stimmen wir mit Ihnen überein, wenn es tatsächlich darum geht, die Gesetzgebung in Europa effizienter und überschaubarer zu gestalten, so dass sie für den Bürger verständlicher ist. In diesem Zusammenhang bitte ich Sie alle von der Kommission, einmal die Dienstleistungsrichtlinie im Entwurf zu lesen und dann zu sagen, ob das verständlich ist, ob das eine bessere Gesetzgebung ist. Abgesehen vom sozialen Inhalt wäre es sehr interessant, das mit Ihnen zu diskutieren. Aber das können wir ja im nächsten Jahr tun.
Ich möchte auf zwei Dinge besonders hinweisen, denen wir als Sozialdemokratische Fraktion im nächsten Jahr besonderes Augenmerk widmen werden. Das erste ist die Wahrung der Grund- und Freiheitsrechte in Europa. Wir haben hier in der letzten Zeit besonders bedenkliche Erscheinungen und Entwicklungen gesehen, und das nicht nur im Zusammenhang mit den Aktivitäten der CIA. Ich meine hier zum Beispiel die Einschränkung gewerkschaftlicher Rechte in der Slowakei; ich meine in diesem Zusammenhang auch verschiedene Vorstellungen, die zuletzt in dem neuen Mitgliedstaat Polen geäußert wurden, was die Frage der Grund- und Freiheitsrechte betrifft, zum Beispiel auch von homosexuellen Menschen. Das alles sind Entwicklungen, die wir mit Sorge betrachten. Ich möchte Kommissar Frattini voll unterstützen und ihn auffordern, hier ganz klar die Rechte und die Standards Europas zu verteidigen. Das ist das Einzige, was wir hier verlangen.
(Beifall)
Lassen Sie mich zum wichtigsten Punkt kommen, nämlich zur Frage des sozialen Europas. Wir wissen auch in unserer Fraktion, dass die Arbeitsplätze nicht auf Dauer gesichert sind. Wir wissen auch in unserer Fraktion, dass viele Menschen ihre Arbeitsplätze immer wieder wechseln müssen. Aber gerade deshalb wäre es wichtig, dass diese Kommission ein schärferes, ein klareres soziales Profil bekommt. Viele Bürgerinnen und Bürger – und das wissen Sie, Frau Vizepräsidentin, die Sie im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern stehen – meinen sogar, dass die EU die negativen Erscheinungen der Globalisierung noch verstärkt. Sie sehen, dass viele – leider auch viele Unternehmen – die Europäische Union, die Erweiterung, aber auch die Globalisierung dazu missbrauchen, soziale Standards zu unterminieren. Diese Sorge besteht nicht nur in den so genannten alten Mitgliedstaaten, sondern auch in den neuen Mitgliedstaaten. Daher muss die Europäische Kommission auf sozialpolitischem Gebiet aktiver werden. Sie muss helfen, die negativen Effekte zu vermeiden oder zumindest zu mindern, ohne die Illusion zu wecken, dass wir einen Schutzwall rund um Europa bauen können.
Daher fordere ich die Kommission namens meiner Fraktion auf, etwa zum Thema atypische Dienstverhältnisse einen Gesetzesvorschlag einzubringen, zum Thema Globalisierungsfonds – anders als die Ratspräsidentschaft – ein tragfähiges Konzept zu präsentieren und zum Thema Dienstleistungen im allgemeinen Interesse endlich einen Rahmenrichtlinienvorschlag zu machen, denn gerade diese Dienstleistungen im allgemeinen Interesse sind etwas, was die Bürger mit dem öffentlichen Sektor verbindet. Hier brauchen sie Unterstützung – und nicht Unterwanderung – von Seiten der Europäischen Union und der Europäischen Kommission.
Frau Kommissionsvizepräsidentin, wir sind in unserer Fraktion keine Sozialromantiker, aber wir wissen: Wenn wir dieses Europa nicht sozialer gestalten, wenn wir in der Auseinandersetzung um Globalisierung und um die Marktöffnung nicht auch die soziale Dimension stärker herausstreichen, dann werden wir die Bürgerinnen und Bürger dieses Kontinents nicht für unser Projekt gewinnen. Dies ist jedoch absolut notwendig, und wir brauchen hier die Unterstützung der Kommission. Dazu möchte ich Sie namens meiner Fraktion wirklich auffordern.
(Beifall)