Rede zur Erklärung des designierten Kommissionspräsidenten

Herr Präsident, Herr Barroso! Es ist schon gesagt worden von unserem Vorsitzenden Schulz, dass die Meinung der Sozialdemokratischen Fraktion erst gebildet wird, weil dies aufgrund von Fakten und nicht von Vorurteilen geschieht. Ich möchte aber nicht verhehlen, dass es einige sehr, sehr kritische Punkte gibt und dass es sicherlich manches Misstrauen, manche Kritik gibt, die ich hier und heute schon klar und deutlich unterstreichen möchte.
Der erste Punkt – dafür können Sie persönlich nichts – ist das ganze Auswahlverfahren. Der Schatten dieses Prozesses ist jetzt auch auf Sie gefallen, und wir haben schon deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir dieses Verfahren, wo nach so vielen Namen, die genannt wurden, prioritär dann ein Name zum Vorschein kommt, der zuerst überhaupt nicht gefallen ist, dass das kein für uns akzeptabler Auswahlprozess ist. Vielleicht können Sie gerade aufgrund Ihrer Erfahrung in diesen letzten Wochen mithelfen, dass es endlich, schon im Vorfeld und im Zusammenhang mit der neuen Verfassung, auch vom Geist her schon zu einem anderen Verhältnis zwischen Rat, Parlament und Kommission kommt. Denn dieses Verhältnis ist genau durch dieses Auswahlverfahren in den letzten Monaten gestört worden.
Zweitens: Auf die Außenpolitik wird mein Kollege Jan Marinus Wiersma noch eingehen, aber Herr Barroso, Sie haben uns bei dem Hearing auch nicht überzeugt, was Ihr Verhalten im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg betrifft. Und es geht mir nicht um die Vergangenheit, sondern um die Zukunft. Wie werden Sie oder würden Sie in einem ähnlichen Fall agieren? Würden Sie das so ähnlich laufen lassen, dass verschiedene Regierungschefs, ohne eine Koordinationsfunktion durch die Kommission oder durch den Rat abzuwarten, so agieren, wie hier agiert worden ist? Und wie werden Sie verhindern, dass wir wieder blindlings den USA-Entscheidungen folgen, noch dazu Entscheidungen, die aufgrund von falschen Unterlagen getroffen worden sind? Aber ganz entscheidend ist die Frage, und auch hier ist Ihre Antwort bisher völlig unbefriedigend gewesen, welches europäische Gesellschaftsmodell Sie vertreten. Sie sagen, Sie vertreten eins. Sie betonen die Bedeutung der öffentlichen Dienstleistungen. Sie haben sich weder zu Rahmenrichtlinien bekannt, Sie haben sich weder dazu bekannt, dass öffentliche Leistungen und Dienstleistungen im öffentlichen Interesse geschützt, ausgebaut, gestärkt gehören in diesem Europa. Ihr Verständnis von dem, was soziales Europa ist, das ist uns zu wenig geblieben. Auch in der Frage der Arbeitsplätze. Viele Menschen fürchten in diesem Europa, dass Arbeitsplätze durch die Verlagerung von Industrien verloren gehen. Was werden Sie unternehmen, dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden, dass diese Arbeitsplätze auch erhalten bleiben und dass wir wettbewerbsfähig und gleichzeitig ein soziales Europa bleiben?
Und das Letzte: Wir waren tief enttäuscht, als Sie sofort nach Ihrer Nominierung als Ministerpräsident zurückgetreten sind, als ob Sie schon gewählt worden wären. Und Sie haben erklärt, es genügten Ihnen 50 Prozent und eine Stimme. Wenn Ihnen das genügt, dann werden Sie manchmal vielleicht in diesem Haus 50 Prozent weniger eine Stimme bekommen für Ihre Vorlagen, für Ihre Vorschläge. Und das wäre schade. Ich weiß nicht, ob Sie morgen gewählt werden, es gibt eine hohe Wahrscheinlichkeit. Sie müssen sich darauf einstellen, dass wir als Sozialdemokratische Fraktion immer fair sein werden, aber es wird harte Auseinandersetzungen geben um dieses soziale Europa. Wenn Sie da nicht mehr zulegen, was die Frage "Soziales Europa" betrifft, dann wird es harte Kontroversen geben. Ich wünsche Ihnen trotzdem viel Glück in dieser Auseinandersetzung, die Sie auch mit unserer Fraktion haben werden, sollten Sie gewählt werden.
(Beifall)