Vorbereitung der Tagung des Europäischen Rates (1./2. März 2012)

3-10-07_Swoboda_2Herr Präsident! Herr Ratspräsident! Herr Vizepräsident der Kommission! Endlich will sich der Rat auch wirklich mit den wichtigen Problemen des Wachstums und der Beschäftigung befassen. Viel Zeit ist verstrichen, viele Jahre, viele Monate, in denen das nicht geschehen ist. Man will auch die wirtschaftspolitischen Ungleichgewichte behandeln. Auch in diesem Bericht, den die Kommission veröffentlicht hat, wird einiges dazu gesagt. Allerdings wurde vielleicht zu wenig gesagt, dass beide Seiten, die Defizitländer aber auch die Überschussländer, etwas tun müssen, um Ungleichgewichte zu verändern, wie auch Deutschland das selbst in den G20-Gesprächen und Beschlüssen versprochen hat.

Was die Regeln betrifft, Herr Fox, schauen Sie sich die Realität an, die Empirie. Es gibt sehr viele Länder die sich an die Regeln halten, gerade Länder, wie z.B. Deutschland und Österreich haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit. Die Realität ist zu sehen und nicht die Ideologie.

Ich möchte aber natürlich unterstützen, was der Rat und die Kommission jetzt machen. Ich habe nur meine Zweifel, dass die Trendwende schon eingeleitet worden ist, insbesondere wenn ich mir anschaue, wie in Griechenland gehandelt wird. Es ist viel beschlossen worden, viel von dem, was heute schon gesagt worden ist, wenn ich z.B. an den G20-Gipfel in Cannes denke – auf den werde ich heute Nachmittag noch zurückkommen. Aber der Fall Griechenland zeigt, dass man noch nicht gelernt hat umzudenken. Die wirtschaftliche Lage in Griechenland ist gefährdet durch jene Radikale, die in Athen Feuer legen. Gefährdet durch jene – da gebe ich dem Kollegen Daul Recht –, die nicht bereit sind, in Griechenland politische Verantwortung zu übernehmen. Aber auch gefährdet durch eine Troika, die – ich weiss nicht in wessen Namen, sicherlich nicht im Namen der Sozialdemokratie und sicher nicht im Namen von vielen Bewohnern Griechenlands – Dinge fordert, die die Lage in Griechenland nur noch verschlechtern. Eine extreme Kürzung der Pensionen, der Löhne, der Mindestlöhne – was bewirkt das? Verstärkte Rezession, verstärkte Armut. Es schwächt die Kaufkraft, es schwächt die Steuereinnahmen und erhöht das Defizit. Das ist die Politik, die derzeit auch leider von der Europäischen Kommission gemeinsam mit dem Währungsfonds in Europa und speziell in Griechenland vertreten wird. Da fordern wir eine Trendwende.

Denn wenn Löhne und Pensionen sinken, es aber nicht mehr Wettbewerb gibt, weil es z.B. viele Wettbewerbsbeschränkungen gibt, dann gibt es höhere Preise und mehr Armut. Wenn ich mir ansehe, wie diese Troika – auch mit den Stimmen der Kommission – verlangt, dass soziale Sicherheiten abgebaut werden, dass der soziale Dialog abgebaut wird, so steht das in krassem Widerspruch zu dem, was wieder auf G20-Gipfeln und in vielen anderen Gesprächen gesagt wird. Für uns sind der soziale Dialog und die Rolle der Sozialpartnerschaft unverzichtbar, auch unverzichtbar für die Reformen in Griechenland!

Man sagt, auch die Gewerkschaften müssen Verantwortung übernehmen. Ja, aber man muss ihnen auch die Verantwortung geben! Wenn man ihnen die Verantwortung nimmt, dann können sie auch nicht die Verantwortung übernehmen.

Es ist ein anderer Weg möglich als der, den die orthodoxe Troika vorschlägt. Deswegen habe ich vorgeschlagen und werden drei prominente Mitglieder meiner Fraktion, drei ehemalige Minister – zwei Minister, eine Ministerin –, nach Griechenland fahren und gemeinsam mit den Griechen, gemeinsam mit jenen, die Reformen machen möchten, eruieren, mit welchen Reformen auch wirklich zielgerichtet das Defizit abgebaut werden kann, weil sie zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung führen. Das ist auch der Unterschied der Herangehungsweise. Griechenland wird durch die Troika gewissermaßen erpresst, und es hat eigentlich kaum ein Mitspracherecht. Es ist eine Gefährdung der Demokratie. Wir wollen mit Griechenland gemeinsam diese Dinge erarbeiten. Was Griechenland braucht, ist nicht ein deutscher oder ein anderer Oberlehrer mit dem Rohrstock. Was Griechenland braucht, ist Hilfe, Unterstützung. Griechenland braucht Rat, aber kein Diktat. Das wollen wir geben. Wir wollen es gemeinsam mit Griechenland schaffen, dass Griechenland aus dieser schweren Krise herauskommt. Wie es damals die Amerikaner geschafft haben mit dem Marshallplan für Europa. Es gilt, nicht zu drohen, sondern zu helfen, denn die Hilfe an Griechenland ist eine Hilfe für die Eurozone, eine Hilfe für Europa.