Auf dem richtigen Weg

Slowenien ist gerade dabei, die ökonomischen „EU-Schlußlichter“ Portugal und Griechenland einzuholen.
Es ist ein herrlicher und sonniger Morgen. Schneebedeckte Berge umgeben den Flughafen von Laibach. Ich warte auf das Flugzeug nach Zürich, um von dort nach Wien zu fliegen. Ein richtiger „Rundflug“, wie die Mitarbeiterin von „Adria Lines“ beim Check-In bemerkte – aber leider fliegt für mich die Direktmaschine nach Wien zu spät.

In Laibach tagte der gemischte Parlamentarische Ausschuß EU-Slowenien. Unmittelbar nach meiner Reise in den Nahen Osten und aufgrund der Turbulenzen rund um den Rücktritt der EU-Kommission war ich zuerst versucht gewesen, diese Reise abzusagen. Aber Slowenien ist ein wichtiger Beitrittskandidat an der Grenze zu Österreich und ich habe überdies übernommen, im Ausschuß einen Bericht über die anstehenden Reformen in der EU zu geben. Also nahm ich es schließlich doch auf mich, wenngleich auch nur für kurze Zeit, nach Laibach zu kommen.

Bei jedem Besuch in der slowenischen Hauptstadt hat man den Eindruck, daß Laibach noch moderner, gepflegter und wohlhabender geworden ist. Die bauliche Substanz wird gut gepflegt, und besonders die architektonischen Meisterwerke von Plecnik kommen gut zur Geltung. Die jungen Menschen sind äußerst selbstbewußt und scheinen Optimismus auszustrahlen.
Aber natürlich ist Laibach nicht repräsentativ für ganz Slowenien. In der nahe der Grenze liegenden Stadt Maribor und ihrer Umgebung ist die Arbeitslosigkeit deutlich höher als in Laibach. Und das trägt sicherlich zu den Ängsten im nahegelegenen Grenzgebiet in Österreich bei. Es wäre naiv, würde man die Probleme in den Grenzgebieten, die beim Beitritt entstehen, unterschätzen. Allerdings sollte man auch nicht die Chancen übersehen.

Im industriell gewerblichen Sektor werden die Änderungen nicht so gravierend sein. Hier haben die Verträge zwischen der EU und Slowenien – und den anderen „Oststaaten“ -den Beitritt bereits weitgehend vorweggenommen. Ein Beitritt würde an der Abwanderungsneigung von Betrieben kaum etwas ändern – weder im positiven noch im negativen Sinn.
Bei den Dienstleistungen schaut das schon anders aus. Hier wird es notwendig sein, sich auf die Zeit nach dem Beitritt gut vorzubereiten. Vor allem die Qualität und die Flexibilität des Angebots ist zu erhöhen. Außerdem muß auf die spezifischen Interessen der Nachbarn eingegangen werden – beispielsweise wären Kombi-Angebote im Tourismus mit den Nachbarn anzustreben und auszuarbeiten.
Im Bereich des freien Personenverkehrs, vor allem der Arbeitnehmer, wird es schließlich – möglichst flexible – Übergangsregelungen geben müssen. Das wissen auch unsere Nachbarn – auch wenn sie an diesen Übergangsregelungen kein besonderes Interesse haben. Aber sie haben bereits selbst einige Übergangsregelungen aus ihrer Sicht angemeldet. So will Slowenien etwa für den zollfreien Import für den persönlichen Gebrauch eine niedrigere Grenze ansetzen und Übergangsregeln für die pharmazeutische Industrie erreichen.
Die Slowenen wollen außerdem aufgrund ihrer engen wirtschaftlichen Beziehungen zu Kroatien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina Ausnahmegenehmigungen für Freihandelsregelungen mit diesen Ländern bzw. slowenische Investitionen in diesen Ländern. Enge wirtschaftliche Beziehungen mit diesen Ländern bzw. slowenische Investitionen in diesen Ländern sind sicher auch im gesamteuropäischen Interesse, denn sie tragen zur wirtschaftlichen Stabilität bei. Allerdings dürften keine Verzerrungen und Diskriminierungen gegenüber den EU-Mitgliedsstaaten entstehen. Es ist heute noch nicht abzusehen, inwieweit hier vernünftige Kompromisse gefunden werden können.

Insgesamt scheint sich Slowenien gut auf die kommende Mitgliedschaft vorzubereiten. Allerdings nicht überall ist europäisches Bewußtsein durchgedrungen. So sind in Slowenien die Duty-Free-Läden in den Grenzgebieten nach wie vor geöffnet, obwohl es vertraglich der EU gegenüber versprochen hat, diese zu schließen. Und auch bei der Anerkennung der ohnehin äußerst kleinen deutschsprachigen Volksgruppe wird allzu oft Verzögerungstaktik an den Tag gelegt.
Aber wir kennen ja alle dieses innenpolitische Taktieren, und überdies haben die Slowenen – nicht ganz zu Unrecht – den Eindruck, daß von den Beitrittskandidaten oft mehr verlangt wird als von derzeitigen Mitgliedsländern. Für einen raschen Beitritt und eine positive Einstellung bei seinen Nachbarn wäre allerdings eine etwas offenere Haltung der slowenischen Position von großem Vorteil!
Laibach, 19. März 1999