Europäische Eisenbahnen neu

Die notwendigen Schritte zu einem umfassenden, effizienten und transparenten europäischen Eisenbahnsystem. 
1.) Ziel einer europäischen Eisenbahnpolitik muß es sein, ein umfassendes, effizientes und transparentes europäisches Eisenbahnsystem insbesondere für den Güterverkehr herzustellen. Dafür sind die Ausgangsbedingungen nicht unbedingt die besten. Denn einerseits haben wir nach wie vor viele nationale Eisenbahngesellschaften, die von den Regierungen und der jeweiligen Bevölkerung als „ihre“ Eisenbahnen betrachtet werden. Andererseits verhalten sich jedoch die Regierungen zu „ihren“ Unternehmungen nicht gerade generös, wenn es um die Abdeckung gemeinwirtschaftlicher Leistungen oder um die Verbesserung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur geht.
So haben wir derzeit weder eine Revitalisierung des Eisenbahnwesens, die von den einzelnen Ländern und deren Regierungen getragen wird, noch eine solche, die aufgrund europäischer Konkurrenz und/oder Kooperation gefördert wird. Die alte Unterstützung ist nicht mehr vorhanden, eine neue – europäische – Herausforderung hat sich noch nicht herausgebildet.
Dies gilt es zu ändern, wobei die Zukunft allein in der europäischen Dimension liegt. Auch die Eisenbahnen müssen die sichtbaren und unsichtbaren Grenzen und Behinderungen ablegen. Die Alternative ist der langsame Tod bzw. ein Krankschrumpfen auf ein Minimalnetz, das den Anforderungen einer ökologischen Verkehrspolitik bei weitem nicht gerecht wird.

2.) Sicher darf man bei der Reform des Eisenbahnwesens nicht nur die Schiene betrachten, sondern es müssen auch bestehende Konkurrenzvorteile der Straße in Betracht gezogen werden. Ob es sich um die mangelnde Kostenbelastung des Straßengüterverkehrs durch die Umweltbelastung, Unfälle etc. handelt oder um die für den Arbeitgeber – wenngleich nicht für die Arbeitnehmer – günstigeren, weil „großzügigeren“ Arbeitszeitregelungen, die Palette der Begünstigungen für den Straßentransport in Relation zum Transport auf der Eisenbahn ist umfangreich.
Die dringend notwendige Reform der Eisenbahn selbst muß daher auch von einem gerechteren Verhältnis zwischen Schiene und Straße begleitet sein.

3.) Europa sucht vor allem durch die Überarbeitung bzw. Neufassung von drei Richtlinien den politischen und rechtlichen Rahmen für die Reform des Eisenbahnwesens zu gestalten. Das Parlament wartet schon ungeduldig auf die Antwort des Rates auf die Vorschläge der Kommission und die erste Lesung dieser Vorschläge durch das Parlament.
Die Berichte, die Kollege Sarlis und ich selbst verfaßt haben, wurden bereits am 23.23.1999 mit großer Mehrheit angenommen. Der Rat hat – wie man hört – etliche unserer Vorschläge angenommen, und so könnten durch die zweite Lesung im Parlament die Richtlinien Gesetzeskraft erlangen.

4.) Aus meiner Sicht müßten dabei folgende Punkte im Vordergrund stehen und gewährleistet sein:
a) Ziel ist der Ausbau eines effizienten grenzüberschreitenden Güterverkehrsnetzes, das dem Wettbewerb bzw. der Kooperation jedenfalls durch alle europäischen Eisenbahnunternehmen offen steht.
b) Ein flexibles Gebührensystem sollte Anreize zur Verlagerung von der Straße auf die Schiene geben, aber auch notwendige Mittel für den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere für die Behebung von Kapazitätsengpässen bereitstellen.
c) Der Zugang zur bzw. die Überlassung von Schienenkapazität muß fair, gerecht und transparent erfolgen. Diese Grundsätze müssen schon bei der Gestaltung der Betriebsorganisation, aber auch bei der Festsetzung der Gebühren und bei der Vergabe von Fahrzeugkapazität Anwendung finden.
d) Eine Überwachung dieser Grundsätze und ihrer Anwendung ist durch eine geeignete Behörde (Regulator) sicherzustellen.

5.) Ergänzend und begleitend zum sogenannten Infrastrukturpaket der drei Richtlinien (91/440, 95/18, 95/19) müssen natürlich noch weitere Maßnahmen gesetzt werden und die Voraussetzungen für Wettbewerb und/oder Kooperation im Schienenverkehr günstiger zu gestalten. Vor allem die Interoperationalität zwischen den einzelnen Eisenbahnunternehmungen und den unterschiedlichen nationalen, technischen und Sicherheitssystem sind Schritt für Schritt zu harmonisieren.

6.) Das beste Infrastrukturpaket, die rasche Herstellung der Interoperabilität und viele weitere Maßnahmen nützen wenig, wenn die Investition ins europäische Netz nicht erhöht werden. Vorschläge gibt es genügend: das Transeuropäische Netz, das der Rat in Essen beschlossen hat, das in Helsinki bei der gesamteuropäischen Verkehrsministerkonferenz auf den neuesten Stand gebrachte Netz der transeuropäischen Korridore und das durch das TINA-Büro in Wien erarbeitete Prioritätennetz für die Erweiterungsländer.
Nun gilt es, die nationalen und die europäischen Mittel einzusetzen, um die ökologische Politik auch umzusetzen. Und dabei ist ein bißchen mehr Geld notwendig, als in den letzten Jahren ausgegeben wurde.