Frankfurt – München – Košice

Die letzten Tage waren für mich durch eine Auseinandersetzung mit der europäischen Kultur in deren Vielfalt gekennzeichnet. Begonnen hat es mit einer Einladung zur Frankfurter Buchmesse. Natürlich hatten die Einladenden auch Lobbying für die Buchpreisbindung, den halben Mehrwertsteuersatz und ein Festhalten am Copyright im Sinn. Und im Wesentlichen kann ich diesen Anliegen auch zustimmen. Allerdings müssen wir sicher überlegen, wie das Copyright modernisiert und an den Gebrauch der Social Media und Internetgeneration angepasst werden kann. Aber sicher braucht Europa einen lebendigen Buchmarkt, der nicht durch Amazon und E-Books ersetzt werden kann.

Dennoch muss sich der „traditionelle“ Buchmarkt auch an die neuen Gegebenheiten anpassen. Die Digitalisierung ist dabei auch eine große Chance. Sie ermöglicht die Wahl der Kunden und das Angebot der Buchproduzenten und – händler zu erweitern. So haben Verlage den Großteil oder alle je bei ihnen erschienenen Bücher digitalisiert und diese sind jederzeit als E-Book oder auch als Hardcover erhältlich. Andere wieder ermöglichen den Kunden (z.B. Wissenschaftlern, Bibliotheken etc.) ihren Wunschreader mit mehreren Artikeln zusammen zu stellen und diesen dann ebenfalls als E-Book oder als Hardcover zu nutzen. Auch am Büchermarkt schreitet also die Individualisierung voran. Wichtig ist allerdings, dass wir Bücher als ein für Europa unverzichtbares Kulturgut betrachten. Ein Kulturgut, das auch dazu beiträgt Arbeitsplätze zu erhalten und neue zu schaffen.

Von Frankfurt ging es zu einem – privaten – Wochenende nach München. Bei einem geführten Besuch in der „Neuen Pinakothek“ besuchte ich die mir ansonsten nicht so gelegenen Werke des neunzehnten Jahrhunderts. Dabei fiel mir die „Liebe“ der deutschen Künstler zu Italien und zu Griechenland auf. Eine Liebe, die ich jedenfalls bei der deutschen (und österreichischen) Bevölkerung von heute vermisse. Dabei fand nicht nur die Antike sondern auch die damalige griechische und italienische Gegenwart viele deutsche Bewunderer. Ich verlange ja nicht gerade Bewunderung für die heutige Situation in diesen beiden Ländern, aber ein wenig mehr Verständnis und Solidarität wäre doch angebracht.

Sonntagabends ging es dann nach Košice in der Ostslowakei. Košice ist gemeinsam mit Marseille heuer europäische Kulturhauptstadt. Das nahm ich zum Anlass ein Event unserer Diskussionsreihe „Neustart für Europa“ in Košice vorzuschlagen. Ich hatte schon einmal Košice besucht, allerdings ausschließlich unter dem Aspekt der Romafrage. Jetzt ging es vor allem die Frage inwiefern Kultur, Kunst und Kreativität, Arbeitsplätze schaffen können.

Dennoch verlor ich die Aufgabe der Integration der Roma nicht aus den Augen. Der erste Besuch galt auch einer berufsbildenden Schule bzw. einem Schulverbund der sich vor allem auch der Integration der Roma widmet. Dabei stand die Ausbildung in traditionellen Berufen im Mittelpunkt. Aber die Besonderheit war die Ausbildung von jungen Menschen – Roma und Nicht-Roma – die den notwendigen Schulabschluss nicht geschafft haben.

Auch der Konzern US Steel der in Košice ein großes Stahlwerk gekauft hat, hat ein eigenes Programm zur Integration der Roma entwickelt. Auch hier geht es um solche Roma, die nicht eine normale Berufslaufbahn eingeschlagen haben. Dabei müssen die Roma, die das besondere Förderprogramm in Anspruch nehmen versprechen, dass sie ihre Kinder in die Schule schicken. Denn die Schulabsenz ist nach wie vor ein großes Problem. Allerdings gibt es bei entsprechenden Bemühungen auch Schulen, wo die Anwesenheitsrate der Roma die höchste ist.

Bei einem Gespräch mit Vertretern der Roma Gemeinschaft ging es vor allem um die Schulproblematik. Noch immer gibt es einige ausschließlich von Roma Kindern besuchte Schulen bzw. Schulklassen. Und das ist sicher nicht der Integration förderlich. Vor allem aber gibt es keine besondere Sprachförderung im Kindergartenalter oder beim Eintritt in die Schule. Für Kinder, die zu Hause nur die Romsprache sprechen, schafft das einen kaum aufholbaren Rückstand. In all meinen Medienkontakten betonte ich daher die Wichtigkeit des Ausbaus der Kindergärten und der Sprachförderung in der Volksschule.

Natürlich ging es beim Besuch des US Steel Košice Unternehmens auch um den Erhalt und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Und für die Stahlindustrie ist es nicht leicht in Europa angesichts der relativ hohen Energiepreise – im Verglich zur Ukraine, Russland aber auch zu den USA. Auch die europäische Umweltgesetzgebung macht es der Industrie in Europa nicht leicht. Natürlich können wir nicht auf eine laufende Verbesserung unserer Umweltgesetzgebung verzichten. Aber sie muss jedenfalls so gestaltet werden, dass sie nicht – in Verbindung mit den hohen Energiepreisen- die Industrie aus Europa vertreibt. Denn dann wird die globale Umweltbelastung stärker und die Arbeitsplätze gehen in Europa verloren. Und das hilft uns nicht!

Ein anderes Unternehmen, das ich in Košice besuchte war die deutsche Telekom Tochter T-Systems, die für große Unternehmen interne, geschlossene Informationssysteme entwickelt und betreibt. Sie beschäftigt fast drei tausend MitarbeiterInnen und kam nach Košice, obwohl sie keinen einzigen Kunden in der Slowakei hat. Aber die Kombination von gut ausgebildeten Fachkräften, nicht zuletzt durch die hiesige Universität, und einer hohen Arbeitslosigkeit (!) lockte das Unternehmen in diese Region. Aus- und Weiterbildung stehen in diesem Unternehmen im Mittelpunkt der Personalpolitik. Dabei geht es nicht nur um Fertigkeiten sondern vor allem auch um Kreativität.

Und damit wären wir beim Thema unserer Veranstaltung im Rahmen von „Neustart für Europa“. Ein solcher ist nämlich nicht möglich, ohne auch der Industrie einen Neustart zu ermöglichen. Dabei brauchen wir traditionelle Unternehmungen wie die der Stahlindustrie, große Dienstleistungsunternehmer wie T-Systems, aber auch viele Unternehmungen die sich aus der Beschäftigung mit Kultur, Kunst, Design etc. entwickeln. Ohne diese „Industrien“ werden wir die Arbeitslosigkeit nicht bekämpfen. Und ohne erfolgreichen Kampf gegen Arbeitslosigkeit werden wir die Vielfalt der Kultur und den entsprechenden „Kulturkonsum“ nicht aufrechterhalten können. So ist in den letzten Jahren in Italien und Spanien der Bücherabsatz deutlich zurückgegangen. Und beide Länder haben gerade bei der Kultur gespart! Und das hilft nicht den Menschen die einen Arbeitsplatz suchen.

Daher müssen wir diesen Teufelskreis durch eine Änderung der Austeritätspolitik durchbrechen. Kultur und vor allem Respekt gegenüber Minderheiten wie den Roma und deren Integration benötigen eine andere Wirtschaftspolitik. Wachstum und Beschäftigung helfen auch der Durchsetzung von Grundwerten auf die wir Europäer so stolz sind!