Kritische Stimmen…

lojze2Mein Freund Lojze Wieser hat auf mein Zitat aus „Die Zeit“, in der Robert Menasse als einer der wenigen Intellektuellen, die sich mit Europa beschäftigen, erwähnt wird, kritisch reagiert. Nun, tatsächlich ist Lojze Wieser ein unermüdlicher Kämpfer für Europa und für grenzüberschreitende Aktivitäten. Nicht wenige in seiner Kärntner Heimat nehmen ihm das übel. Ich will mich auch nicht zwischen Menasse und Wieser entscheiden, ich schätze beide sehr. Ersterer beschäftigt sich insbesondere mit den aktuellen politischen und wirtschaftlichen Problemen bzw. den Konstruktionsfehlern der heutigen EU, und das ist für die jetzige Debatte besonders wichtig. Und Lojze  Wieser hat große Verdienste geleistet, indem er immer wieder durch die von ihm herausgegebenen Bücher auf die kulturelle Vielfalt unseres Europa verweist und insbesondre auch Südosteuropa einen gebührenden Stellenwert einräumt. Wir müssen froh sein, dass Europa nicht nur Politiker und Beamte beschäftigt, sondern auch einige hervorragende Kulturschaffende.

Orginaltext Lojze Wiese:

Lieber Hannes,

Du schreibst in Deinem neuesten Letter:

„Wie die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit” kürzlich feststellte, gibt es wenig Intellektuelle, die sich mit Europa und seiner Krise auseinandersetzen. Dazu gehören Jürgen Habermas, Ulrich Beck und Robert Menasse.“

Bescheiden, aber doch mit aller Deutlichkeit, möchte ich darauf hinweisen, dass der Wieser Verlag seit seiner Gründung vor mittlerweile 24 Jahren gezielt, mit Bomben bedroht und immer an der finanziellen Kippe das getan hat, was andere nicht tun wollten, konnten, mochten. Ob wir zur intellektuellen Elite dazugehören oder nicht, sollen andere beantworten. Die Antworten, die wir in all den Jahren gegeben haben, sind meist verklungen, versandet oder an jenen Stellen, die sie hören und finanzieren sollten, nicht angekommen. Das ist einer der Gründe, dass die Debatte so armselig und so zukunfstverweigernd ist, wie sie derzeit abläuft. Schon alleine der Aufruf „proKärnten/zaKorosko“ 2001 und 2006 war ein Signal, wie sich Europa die Zukunft der Sprachen und Kulturen, der Heimischen und der Dahergekommenen, der Zugereisten und der Ausgereisten ohne Territorium, auf gleicher Augenhöhe und mit Respekt vorzustellen hätte. Sind wir Rufer in der einsamen Wüste, nur weil wir aus einem Land kommen, in dem die Zukunft lange Jahrzehnte mit der Vergangenheit zugeschüttet wurde?

Ich denke, dass schon die Reihe EUROPAERLESEN den Europäern geholfen hätte, ihre vielfältigen Träume zu sehen, erkennen, sie zu leben usw. Und so mancher Abgeordnete in Brüssel hat mich mit Schimpf belegt, als ich ihm das große Lexikon der Sprachen des europäischen Ostens zugeschickt habe. Traurig, aber wahr, und auch heute fürchte ich, dass die neue Sicht auf die Rolle der Kultur und dessen, was wir zu vermitteln trachten, wieder einmal in der Euphorie des Pessimismus untergehen wird, zumindest sind alle Zeichen danach.

Dein trauriger, wütender und noch immer um jeden Cent für eine neue demokratische Ordnung Rennender und sich immer wieder aus dem Dreck ziehender Lojze