Peking – altes und neues Zentrum eines Großreiches

Nach einem interessanten Gespräch mit einem Professor der Shanghai Universität, der sich vor allem auch mit europäischen Fragen beschäftigt, ging es dann nach Peking. Die Hauptstadt empfing uns mit dem auch schon aus den europäischen Medien bekannten Smog, der die Umweltprobleme des Landes verdeutlichte. Der verdunkelte Himmel und die durch den Smog nur schwach durchscheinende Sonne gaben unserem Besuch in der „Verbotenen Stadt“ einen leicht mystischen Anstrich. Obwohl sich sicher das heutige China vom kaiserlich/imperialen abgrenzt, so verweist es doch gerne auf die Mächtigkeit des alten Chinas, das in den Palästen der „Verbotenen Stadt“ klar zum Ausdruck kommt. Das Zentrum der heutigen Macht ist nicht zufällig an das der alten Macht angegliedert. Auch heute fühlt sich das Reich der Mitte wieder als mächtig und einflussreich und will das durchaus zeigen.

Der Smog sollte noch einen Tag länger die Stadt verdunkeln. Peking wirkte grau und in eine andere Zeit zurückversetzt. Dann aber kam der Wind und die Stadt präsentierte sich in einem anderen Kleid. Die Sonne und der blaue Himmel verwandelten die Stadt in eine hell leuchtende moderne Metropole. Und dieses Wechselspiel ist symbolisch für die wirtschaftliche, politische und soziale Situation im heutigen China. Interessant ist jedenfalls, dass die offiziellen Vertreter der KP China keineswegs als ideal und perfekt darstellen. Sie sehen China auf einem Weg der Veränderung, der Reformen und der Öffnung. Dabei steht zugegebenermaßen die wirtschaftliche Dimension im Vordergrund.

So sehen es auch die Vertreter der europäischen Unternehmer und diejenigen, die an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Erhöhung der Löhne arbeiten. Dabei trafen wir sowohl VertreterInnen der ILO, der Internationalen Arbeitsorganisation, die in China an der Umsetzung der verschiedenen internationalen Konventionen zugunsten der Arbeitnehmer arbeiten als auch eine Organisation, die sich um die chinesischen Wanderarbeiter kümmert. Sie bezeugen, dass sich China seit einiger Zeit bemüht, insbesondere durch die Gesetzgebung, die Rechte der Arbeitnehmer zu stärken und – in Vereinbarung mit den Staats- Gewerkschaften(!) – die Löhne zu erhöhen. Dabei gilt es viele Hürden zu überwinden. Einerseits gibt es keine Möglichkeiten für unabhängige Gewerkschaften und andererseits können die Arbeitnehmer sich zwar frei bewegen in China, sie bleiben allerdings mit ihren Familien und samt ihren Rechten an ihre Heimatgemeinden gebunden. Das ist das sogenannte Hukou System, das sich sehr zum Nachteil der Wanderarbeiter und einer modernen Wirtschaft ausgewirkt hat. Daher wird überlegt es bald aufzulockern oder ganz aufzugeben.

Neben den sozialen Rechten stehen die Umweltfragen seit einiger Zeit im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen und Beratungen der Partei. Der immer wieder auftretende Smog in Peking und die zum Teil katastrophale Qualität des Wassers machen es unmöglich, die Umweltprobleme zu leugnen. Die alten traditionellen Industrien befinden sich in einer Region mit einer stark gestiegenen Motorisierung und einer extremen Bautätigkeit. Dies hat gerade in Städten wie Peking mit ihren zig Millionen Einwohner die Luftqualität massiv verschlechtert. Die Verbesserung der Umweltgesetzgebung und die Zurückschraubung umweltschädigender Produktionen sollen jetzt Abhilfe schaffen. China will ein modernes Industrieland mit hoher Lebensqualität werden. Allerdings wissen sie selbst, dass der Weg dorthin noch weit ist. Und dass es Widerstand von denen gibt, die an den alten Industrien verdienen, das sind nicht zuletzt Staatsbeamte, deren Löhne vom Wachstum in ihren Regionen abhängen.

Zwischen dem 9. und 12. November soll das „3. Plenum des 18. Zentralkomitees der KP Chinas“ tagen und die neuen Reformen in Gang bringen. Bereits in den letzten Wochen wurde eifrig über die Richtung und das Ausmaß der Veränderungen diskutiert. In all den Gesprächen hat man schon die Diktion und die Linie, die von „oben“ kommt, spüren können. Einige verwiesen darauf, dass es sich um eine Fortsetzung der Reformen von Den Xiaoping handelt, dem großen Reformer, der nach Mao als der entscheidende Staatsmann Chinas gilt. Zwar prangt das Portrait Maos groß auf einem Gebäude vis-a-vis des Tiananmen Platzes aber in den Gesprächen findet er hier keine Erwähnung. Zum Unterschied des großen Wirtschaftsreformers, der allerdings,wie seine Nachfolger, die politischen Reformen in engen Grenzen gehalten hat.