Progressive Parteien treffen sich in Tunis

Es war Zufall, dass sich die neue Allianz progressiver Parteien (ein weltweiter einstweilen noch informeller Zusammenschluss sozialdemokratischer Parteien) in Tunis traf, während sich die Lage in der Ukraine zuspitzte. Aber jedenfalls wurde mir als europäischen Politiker wieder in Erinnerung gerufen, dass unsere Nachbarschaft nicht nur aus der derzeit besonders fragilen östlichen Region besteht, sondern auch aus der ebenfalls kritischen südlichen Nachbarschaft.

Dabei ist Tunesien das stabilste Land dieser Region. Es ist geradezu ein Vorbild für andere arabische Länder geworden, insbesondere auch was die neue Verfassung betrifft. Der Vorsitzende der verfassungsgebenden Versammlung, der Sozialdemokrat Mustapha Ben Jafar hat sich dabei besondere Verdienste erworben. Natürlich ist der konsensuelle Beschluss über eine vorbildliche Verfassung noch keine Garantie für die entsprechende Umsetzung. Es gibt nach wie vor Kräfte, die einen Weg zurück wollen, insbesondere auch was die Rechte der Frauen betrifft. Aber es gibt auch viele Kräfte, die die Verfassung und vor allem die internationalen Konventionen, die Tunesien unterzeichnet und ratifiziert hat, verteidigen. Und es geht sicher auch darum, den Verfassungsprozess, aber auch die Inhalte der Verfassung, den Nachbarn Tunesiens schmackhaft zu machen.

Bei meinem letzten Aufenthalt im Dezember 2013 war gerade die Nominierung des neuen Premierministers im Gange und inzwischen wurde die neue technokratische Regierung installiert. Und auch diesmal besuchte ich wieder den Außenminister. Das ist ein Berufsdiplomat, der vor allem in internationalen Organisationen gearbeitet hat. Der Außenminister hat gewechselt, die Probleme sind geblieben. Neben den wirtschaftlichen und sozialen Problemen ist es vor allem der internationale Terrorismus, der auch Tunesien, vor allem an der Grenze zu Libyen, Probleme macht.

Die tunesischen PolitikerInnen sind sich bewusst, dass nur eine umfassende politische Konzeption den Terrorismus bekämpfen kann. Und die geht von einer ausgeglichenen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung bis zur polizeilichen und militärischen Bekämpfung der terroristischen Banden. Für all das braucht Tunesien Hilfe und Unterstützung. Dabei geht es um Öffnung unserer Märkte, um finanzielle Hilfen sowie um Beschaffung von Nachtsichtgeräten an deren Grenzen und ein Training der entsprechenden Sicherheitskräfte.

Die Angst vor dem Terrorismus als stärkste Gefahr für die Stabilität des Landes ist nicht nur eine Sorge der PolitikerInnen. Als ich eine Runde von linksorientierten Jugendlichen fragte, was ihre größte Sorge sei, antworteten auch sie: der Terrorismus. Ansonsten waren sie allerdings durchwegs optimistisch. Nachdem das autoritäre Regime von Ben Ali überwunden wurde und auch die Gefahr eines islamistischen Regimes abgewendet wurde, blickten sie mit Zuversicht auf die Zukunft. Es liegt nun auch an uns Europäern ihren Optimismus zu unterstützen. Ein Austausch von SchülerInnen und StudentInnen über das Mittelmeer hinweg, wäre dabei eine konkrete Hilfe.

In Ergänzung dazu sollten wir auch mithelfen, dass wenn sie von Studienaufenthalten in Europa zurückkehren, auch einen Arbeitsplatz in Tunis finden. Allerdings kann das Europa derzeit nicht einmal für die europäische Jugend gewährleisten. Aber erfolgreich kann Europa nur sein, wenn wir eine Politik der gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung betreiben. Wenn wir die Migration in Grenzen halten wollen, wenn wir den Terrorismus wirksam bekämpfen wollen, dann brauchen wir ein gemeinsames Vorgehen. Die Interessen Europas und die unserer Nachbarn treffen und überschneiden sich weitgehend.