Stippvisite nach Portugal

Wenige Tage nachdem wir im Europäischen Parlament zwei Resolutionen abgestimmt haben, die sich kritisch mit der EU-Politik in Krisenländern wie Portugal auseinandersetzten, besuchte ich dieses Land. Portugal ist eines jener Länder, das seitens der EU die Troika verpasst bekommen hat. Diese bestand und besteht noch immer aus Vertretern der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und des Internationalen Währungsfonds. Dabei gibt es zwei Grundprobleme: die Troika arbeitet ohne politische Verantwortung und parlamentarische Kontrolle und ihre Vorschläge sind zum Großteil sehr einseitig gegen den Sozialstaat gerichtet. Sie verlangt vor allem Kürzungen der Löhne und Pensionen sowie von Sozialleistungen. Das war auch das Konzept für Portugal.

 

Unsere Veranstaltung zum „Neustart Europa“ in der Universitätsstadt Coimbra hat sich daher vor allem mit den Auswirkungen der EU Krisenpolitik beschäftigt und speziell mit den Empfehlungen der Troika für Portugal. Die Folgewirkungen der Krise und der neo-liberalen Antwort auf die Krise sind dramatisch. Heute sind um über 600.000 Menschen weniger in Beschäftigung als 2008. Allein 2013 sind mehr als 100.000 Menschen aus Portugal ausgewandert. Vor allem betrifft das die besser ausgebildeten und entscheidungsfreudigeren PortugiesInnen. Und das wird die portugiesische Wirtschaft noch länger zu spüren bekommen.

 

Wie üblich unternahm ich noch vor der Eröffnung der Veranstaltung in Coimbra einige Besuche, um mir ein unmittelbares Bild von der Situation im Lande zu machen. Von Porto kommend, besuchte ich die bekannte Porzellanmanufaktur Vista Allegre nahe von Aveiro. Es handelt sich nur zum Teil um eine Manufaktur, da allein dieser Standort von Vista Allegre über 500 MitarbeiterInnen aufweist. Dabei werden traditionelle wie auch moderne, einfache und künstlerisch wertvolle Produkte hergestellt. Da die Nachfrage in Europa stagniert muss sich das Unternehmen mehr und mehr um Märkte in Übersee bemühen. Interessant ist, dass Vista Allegre an diesem Standort -an einem Fluss und in Nähe zum Meer- einen Freizeitkomplex errichten möchte mit der Fabrik und einem Porzellanmuseum als Zentrum. Auch dieses traditionelle Unternehmen versucht durch Zusammenarbeit mit Künstlern und prominenten Küchenchefs neue Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen und in den kulturellen Tourismus einzusteigen.

 

Nach einem Besuch beim Bürgermeister von Coimbra im Rathaus, ging es zur Universität dieser Stadt. Die Universität von Coimbra ist die älteste von Portugal und ist was das Hauptgebäude betrifft eine Sehenswürdigkeit für sich, vor alle mit einer faszinierenden Bibliothek. Leider ist auch die Universität Opfer massiver finanzieller Kürzungen. Allein in den letzten drei Jahren wurden die staatlichen Mittel um 30% gekürzt. So bleibt den Verantwortlichen nichts anderes übrig als -neben Kürzungen- sich um neue Einnahmen umzusehen. Geplant sind Angebote an brasilianische StudentInnen, die als Vollzahler an die Universität kommen wollen. Zusätzlich werden chinesische StudentInnen eingeladen, die vor allem in den ehemaligen portugiesischen Kolonien in Afrika wie Angola und Mosambik tätig sein wollen. Die Universität nutzt also die ehemaligen kolonialen Verbindungen (Brasilien, Macao und in Afrika) aus, um neue Verbindungen aufzubauen, die ihr zusätzliche Mittel verschaffen.

 

Die Universität ist aber nicht in den Traditionen verhaftet, sondern versucht immer wieder neue Wege zu gehen. Der gegenwärtige Rektor war selbst an der Entwicklung und Gründung von „Critical Software “ beteiligt. Dabei handelt es sich um eine Software die hilft, bestehende an neue Bedingungen und Herausforderungen anzupassen. So geschehen bei der Anpassung der Schengen-Software vor der Erweiterung durch die neuen EU- Mitgliedsländer. Ein anderes „Spin – Off“ kommt in der Bekämpfung von Krebs zu Anwendung. Die Medikamente werden direkt zu den kranken Zellen geleitet, um eine Schädigung der gesunden Zellen zu verhindern.

 

Die 31-jährige Vera Moura, die mittels Nano Technologie ein entsprechendes Verfahren entwickelte nahm auch an unserer Diskussion am Abend teil. Sie ist ein gutes Beispiel für die Kreativität und das Engagement von jungen Menschen, die sich auch durch widrige Umstände nicht abhalten lassen sich für Innovationen und deren wirtschaftliche Verwertung zu interessieren. Aber wie viele wenden sich einfach vom -portugiesischen- Arbeitsmarkt ab? Und wie viele Forscher und Unternehmer brauchen günstige Kredite um zu investieren?

 

Wo immer ich hinkomme, und so auch in Portugal gibt es viele junge Menschen, die erfindungsreich und risikofreudig sind. Aber ohne ausreichende öffentliche und private Mittel können sie in ihren Ländern und zum Teil in Europa selbst ihre Ideen nicht umsetzen. Und das ist die langfristige Konsequenz einer nur auf Kürzungen ausgerichteten Austeritätspoilktik. Um diesen jungen Menschen wieder eine Chance zu geben, bedarf es eines Endes der Austerität und einer neuen Politik die auf Erziehung, Forschung, Innovationen und qualitatives Wachstum setzt.

 

Und ich möchte hinzufügen, wir brauchen auch eine europäische Politik, die sich nicht verschließt sondern die globalen Herausforderungen annimmt. Portugal, das sich immer auch über den Atlantik hinaus engagierte und die Universität von Coimbra und deren Spin- Offs sind gute Beispiele für eine solche Offenheit. Aber es bedarf auch der innereuropäischen Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, die die Basis für die wirtschaftliche Entwicklung darstellen.