Über Datenschutz reden!

Ein Gutteil meines Aufenthalts in Washington war dem Thema Datenschutz gewidmet. Im Europäischen Parlament wird schon seit längerem der entsprechende Gesetzesentwurf der EU Kommission zu einem verbesserten Datenschutz beraten. Wenn jetzt Frau Merkel und andere einen strengeren Datenschutz verlangen, ist das purer Zynismus und Wahlkampf. Denn gerade ihre Parteifreunde sind bisher bei den Beratungen auf der Bremse gestanden. Aber natürlich freue ich mich über die neuen Verbündeten.

Nun zurück nach Washington. Meine Absicht, in den USA über Datenschutz zu reden, wurde durch die jüngsten Enthüllungen durch den Dissidenten Snowden noch verstärkt. Meine bzw. unsere Gesprächspartner waren Vertreter der Regierung, der neuen und elektronischen Medien und Organisationen des Konsumenten- und Datenschutzes.

Mein erster diesbezüglicher Besuch galt dem Ministerium für Inlandsicherheit. Meine bisherige Gesprächspartnerin, die stellvertretende Ministerin Lute, hat zwar das Ministerium verlassen, aber ihr Nachfolger stand zu einem Gespräch bereit. Dabei ging es mir vor allem um das PNR-Abkommen, das zwischen der EU und den USA die Übertragung und Verwendung von (Flug-) Passagierdaten regelt.

Sowohl hinsichtlich der Übertragung von Passagier- als auch von Bankdaten (SWIFT) kamen nach und infolge vorheriger Ablehnung durch das EU-Parlament Abkommen zustande, die bestimmte Kontrollen seitens der Europäer sicherstellten. Nun gilt es unsererseits zu überprüfen, inwieweit die Behauptung der USA stimmt, dass alle Bestimmungen der Übereinkommen eingehalten wurden. Jedenfalls machte ich dem Ministerium gegenüber klar, dass ein gutes Funktionieren dieser Vereinbarungen die Vorrausetzung für deren Weiterführung ist und außerdem die Basis für grundsätzliche Übereinkommen zwischen EU und USA zum Thema Datenschutz sein könnte. Der Bericht über das Funktionieren von PNR wurde erst vor wenigen Tagen fertiggestellt und wird jetzt von der Kommission überprüft, bevor wir ihn im Parlament begutachten.

In diesem Sinn wurden auch die Gespräche mit dem stellvertretenden Justizminister Swartz fortgesetzt. Ihn kenne ich schon von Gesprächen über das SWIFT-Abkommen zur Bankdatenübertragung. Ihm und seinen Mitarbeitern trug ich die großen Bedenken der europäischen BürgerInnen gegen die umfangreichen und seitens Europa unkontrollierbaren Auswertungen von  Daten von Europäern vor. Denn die USA greifen nach US-amerikanischen Regeln und Gesetzen auf europäische Daten – vom Telefonverkehr bis zu den Social Media – zu. Und außerhalb der oben erwähnten Abkommen haben wir keine Möglichkeiten, diese Zugriffe zu überwachen oder auch nur Informationen darüber zu erhalten.

Das wurde auch beim Gespräch mit den Vertretern der verschiedenen Kommunikations- und Social Media Unternehmungen klar. Insbesondere Google machte klar, es sei ein US-Unternehmen und müsse sich den amerikanischen Regeln unterwerfen. Der zuständige Datenschutzbeauftragte von Google meinte, dass sie ohnedies mit eigenen Anwälten manche Forderungen der US-Regierung zurückweisen. Aber letztendlich sind sie angewiesen, den amerikanischen Behörden zu folgen. Und ausländische und so auch europäische Staaten müssen im Falle vermuteter Straftaten ihre Zugriffswünsche auch über die USA-Behörden an das jeweilige Unternehmen richten.

Überdies sind sie nicht einmal berechtigt, allgemeine statistische Informationen über die Anzahl und das Ausmaß von behördlichen Anfragen zu geben. In einem gemeinsamen Brief haben nun die verschiedenen Unternehmungen wie Google, Facebook, ePay etc. die US-Regierung aufgefordert, ihnen zu erlauben, diese Informationen zu verbreiten. Aber das kann uns natürlich nicht genug sein.

Mit den Vertretern einer Konsumentenschutzorganisation, die sich auf den Datenschutz konzentriert, haben wir daher weitere Schritte diskutiert. Wir sind einer Meinung, dass freiwillige Abkommen, wie „Safe Haven“-Abkommen, bei denen sich Unternehmungen freiwillig zu verbessertem Datenschutz bekennen, zu wenig sind. Entscheidend sind verbindliche Abkommen. Dazu könnten die Europarats-Konvention 108 oder ein entsprechender OECD-Vorschlag als Basis dienen.

Ich fordere ernsthaft, dass die USA und die EU über ein Rahmenabkommen zum Datenschutz verhandeln und dieses noch vor Abschluss des angestrebten Investitions- und Handelsabkommen abschließen sollten. Auch amerikanische BürgerInnen könnten daran interessiert sein. Denn zu meiner Überraschung haben auch die Kongressabgeordneten beider Parteien den stellvertretenden Justizminister Swartz, am Tag bevor ich ihn getroffen habe, in die Mangel genommen. Und laut einer Umfrage geht das Abfragen von Daten und das Schnüffelsystem der US-Regierung auch einer klaren Mehrheit der US BürgerInnen zu weit. Wir sind also nicht alleine mit unserer Skepsis in Europa. Und deshalb sollten wir den USA gegenüber bestimmt und klar auftreten.