Unsicherheiten abbauen – Vertrauen und Optimums aufbauen

Bei meinem jüngsten Besuch bei der Europäischen Zentralbank in Frankfurt stand die Frage im Mittelpunkt, wie wir dem sehr zaghaften wirtschaftlichen Aufschwung in der EU einen Auftrieb geben können. Für mich und die S&D Fraktion zählt natürlich der Aufschwung nur dann, wenn er zur Senkung der Arbeitslosigkeit beiträgt. Denn das ist es, was die Menschen in Europa unmittelbar berührt.

Die zuletzt vorgenommene Zinssenkung sehe ich sehr positiv. Die unmittelbare wirtschaftliche Auswirkung mag sich in Grenzen halten, aber das Signal ist wichtig. Die EZB wollte damit klarmachen, dass sie eine Deflation und Stagnation der Wirtschaft nicht akzeptieren kann. Denn eine Inflationsrate deutlich unter der Zielmarke von 2% könnte „japanische Verhältnisse“ mit sich bringen: langes Verweilen auf bestehendem Niveau ohne Wachstum und Einkommensverbesserungen. Das würde aber ein deutliches Zurückfallen gegenüber anderen Regionen der Welt bedeuten und keine Chance auf ein Sinken der Arbeitslosigkeit.

Entscheidend ist allerdings, dass das durch die niedrigen Zinsen verursachte „billige Geld“ nicht eine neue Blase am Immobilienmarkt hervorruft, sondern in die Wirtschaft fließt, die Arbeitsplätze schafft. Da wird man sich Mechanismen überlegen müssen, wie man die Banken „anregt“, das Geld in Form von günstigen Krediten an diese Unternehmungen weiterzugeben. Und da kann die EZB das Prinzip „funding for lending“ anwenden, das aber nicht unbestritten ist. Es handelt sich bei dieser „Kreditlenkung“  für die konservativen bzw. neo-liberalen Anhänger der freien Marktwirtschaft sicherlich um einen zu dirigistischen Eingriff in den Markt. Aber ich meine, trotz dieser ideologischen Einwände und technischer Probleme sollte sich die EZB ernsthaft mit der Möglichkeit der Kreditlenkung zu den Unternehmungen die Arbeitsplätze schaffen auseinandersetzen.

Sicherheit brauchen wir allerdings auch durch eine langfristige Stabilisierung des Bankensektors. Nur eine europäische Bankenaufsicht und eine europäische Abwicklung von nicht mehr zu haltenden Banken kann hier Abhilfe schaffen. Sicher kann man nicht auf die nationalen Bankenaufsichten und deren Erfahrung verzichten, aber die Banken sind zu sehr miteinander verflochten, als dass man sich auf die nationalen Kontrollen allein verlassen könnte. Vor allem unkontrollierte Zusammenbrüche großer Banken können sich weit über die Grenzen des Sitzlandes hinaus auswirken.

Unsicherheiten sind für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft und der Beschäftigung äußerst schädlich. Die Unternehmungen halten sich mit ihren Investitionsentscheidungen zurück. Die KonsumentInnen schieben ihre Konsumentscheidungen hinaus. Und die Verunsicherung der Menschen im Allgemeinen führt leider oft dazu, dass sich die Menschen von den traditionellen Parteien ab – und den Populisten zuwenden. Mit der Konsequenz, dass sich die Unsicherheit noch mehr erhöht. Wir brauchen also klare Signale durch die EZB aber auch durch die Regierungen, dass sie Stagnation und Deflation nicht akzeptieren. Und wir müssen klarmachen, dass die Nationalpopulisten mehr statt weniger Unsicherheit bringen.