Programm des dänischen Ratsvorsitzes

Hannes SwobodaHerr Präsident! Ich gratuliere natürlich ebenfalls offiziell, und ich kenne Ihre große Toleranz, was die Redezeit betrifft. Das haben Sie von Ihrem Vorgänger geerbt, und dafür möchte ich mich auch jetzt schon sehr bedanken.

Herr Präsident, Frau Premierministerin, Herr Kommissionspräsident! Wir diskutieren Europa in einer schwierigen Zeit. Seien wir ehrlich: Viele, die Europa heute mitbestimmen, vielleicht sogar manchmal mehr bestimmen als wir in diesem Parlament, sind nicht hier: die Finanzmärkte, die Ratingagenturen. Es ist aber auch völlig unerträglich, dass wir uns oft zu den Opfern und zu den willfährigen Vollstreckern der Finanzmarktentwicklungen und der Ratingagenturen machen. Die nützen nämlich die Schwäche Europas aus. Die Schwäche Europas ist, dass wir bisher wirklich keine gemeinsamen Lösungen gefunden haben oder nur unter Mühe gewisse Lösungen gefunden haben. Und das ist etwas, was uns auch die Ratingagenturen tagtäglich beweisen: Wenn wir keine gemeinsamen Lösungen haben, dann werden wir unser Spiel treiben, aber nicht die europäische Politik. Daher unterstütze ich natürlich all das, was schon gesagt worden ist, auch zur Gemeinschaftsmethode. Frau Premierministerin, Sie haben das ganz richtig unterstrichen. Es geht aber auch – und das haben Sie auch richtig gesagt – darum, dass wir wegkommen von der einseitigen Austeritätspolitik. Auch da machen die Ratingagenturen uns die Sache klar, indem sie bei der letzten Abwertung klar gesagt haben: Aufgrund dieser einseitigen Austeritätspolitik wird es nicht möglich sein, die Budgets wirklich zu korrigieren. Und ist es nicht bedenklich, dass uns die Financial Times – ich betone: die Financial Times , kein linkes Blatt – entgegenhält, wenn sie schreibt:

‘The conclusion of the fiscal treaty, which is the top priority of EU politics right now, is at best an irrelevant distraction.’ An irrelevant distraction.

Das muss uns doch wirklich zu denken geben! Es sind aber auch die sozialen Probleme, die dann die Folgen dieser irrelevant distraction sind.

Frau Premierministerin, Sie haben es erwähnt: Schauen wir heute nach Rumänien. Was dort passiert ist ein Widerspruch genau gegen jene Austeritätspolitik, die unsozial ist. Und Sie haben richtig gesagt: Sparen ist wichtig. Aber es darf nicht auf Kosten der Ärmsten gehen. Und das passiert heute in Rumänien.

Ich kann nur alle aufrufen, doch wirklich den Weg zurück zu finden – zur Sicherung des Sozialstaates in Europa. Ohne den Sozialstaat werden wir auch die Budgetprobleme nicht regeln. Ich rede nicht gegen Reformen, die da und dort notwendig sind. Aber ich rede dagegen, dass der Sozialstaat in seinen Grundfesten heute in Frage gestellt wird. Und dann kommt es zu sozialen Unruhen, dann kommt es zu massiven Einschränkungen von Bürgerrechten, dann kommt es dazu, dass die Polizei mehr die Straßen dominiert. Das, was in Bukarest und in anderen Städten heute passiert, sollte uns wirklich zu denken geben.

Sie haben den Bildungssektor erwähnt. Hier ist es ähnlich. Wir sagen, wir haben noch vor kurzem am Lissabon-Programm festgehalten: Wir sollen doch die wettbewerbsorientierteste Region werden, die wettbewerbsfähigste Region, die insbesondere aufgrund von Bildung, Ausbildung und Wissenschaft und Forschung. Und was sehen wir heute? Die Mittel werden gekürzt. Sie werden nicht mehr erhöht, sondern sie werden gekürzt. Und ich glaube, das ist absolut schädlich. Und wenn Sie von der No future -Generation gesprochen haben – sie ist bereits da. Sie haben in Ihrem Programm richtigerweise gesagt, wir brauchen Europa bei der Arbeit. Leider haben wir heute oft ein Europa bei steigender Arbeitslosigkeit. Ich bekenne mich dazu: Ja, meine Fraktion will Europa bei der Arbeit sehen! Da unterstützen wir voll Ihren Ansatz. Und das kann auch nur geschehen – und auch das möchte ich ganz klar und deutlich sagen –, wenn wir Ökologie und Arbeitskräfte und Beschäftigungspolitik verbinden. Wir sind absolut dagegen, das als Gegensatz zu sehen.

Und darum werden wir gemeinsam mit allen Kräften – auch mit den Gewerkschaften – dafür kämpfen, dass es neue Arbeitsplätze gibt, dass gleichzeitig aber auch die Umwelt geschont wird und dass es eine nachhaltige Entwicklung ist. Da unterstützen wir uneingeschränkt die dänische Präsidentschaft.

Wenn sie zum Beispiel auch von Energieeffizienz gesprochen haben: Auch das ist ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt. Wir müssen energieeffizienter werden, wir können es werden. Es gibt viele gute Beispiele, wir müssen ihnen nur folgen. Ich glaube, das Wesentliche daran ist, dass wir wieder stolz sein können. Wir müssen als Europa wieder auf Europa stolz sein können. Wenn wir jetzt nach Amerika oder woandershin gehen, nach China, dann werden wir mit unseren Problemen konfrontiert. Vor zehn Jahren war es noch anders. Ich möchte, dass es auch nach der dänischen Präsidentschaft wieder anders ist, dass wir gemeinsam auf Europa stolz sein können.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch eine kurze Bemerkung machen, denn ich will die Toleranz unseres neuen Präsidenten nicht überstrapazieren. Wir haben in unserer Fraktion eine im positivsten Sinn des Wortes vorbildhafte Auseinandersetzung gehabt, bevor ich gewählt worden bin. Ich möchte auch hier offiziell meinen Kolleginnen und Kollegen herzlich danken, insbesondere Catherine Trautmann und Stephen Hughes. Wir sind heute geschlossen da. Wir sind weiterhin ein geschlossener, fähiger Partner für unsere Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus und natürlich für die Präsidentschaft und für die Europäische Kommission. Wir haben vielfach andere Vorstellungen von diesem Europa: ein soziales, ein gerechtes Europa, ein ökologisches Europa. Und vor allem auch – wir werden das am Nachmittag diskutieren – ein demokratisches Europa. In allen unseren Mitgliedstaaten muss es eine Demokratie geben. Aber wir sind gesprächsbereit. Wir wollen gemeinsam an diesem Europa arbeiten.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen nochmals, Herr Präsident, aber auch allen Vizepräsidenten, herzlich gratulieren. Ich glaube, wir haben unser Haus gut bestellt.