Rechtsgrundlage des Schengen-Evaluierungsmechanismus (12. Juni 2012)

Hannes-lächelndHerr Präsident! Herr Minister, einige haben gemeint, ich würde es heute schwer haben gegenüber einer sozialdemokratischen Regierung und Präsidentschaft. Herr Minister, Sie haben es mir sehr leicht gemacht. Alles, was Sie gesagt haben, stößt auf unseren Widerstand. Wir hatten gestern eine ausführliche Diskussion in der Fraktion, und wir haben einmütig gesagt: Das, was Sie getan haben, stößt auf unseren starken Widerstand. Wir lehnen diese Haltung, die Sie zum Ausdruck gebracht haben, ab!

(Beifall)

Die Fraktion der Sozialdemokraten steht eindeutig auf der Position, dass Sie den falschen Weg gegangen sind, dass Sie einen gefährlichen Weg gegangen sind. Sie haben die Erfahrung von Dänemark. Haben Sie nichts von Ihrer Vorgängerregierung gelernt, davon, wie die Regierung unter Druck gekommen ist von den Rechtspopulisten? Das hätten Sie doch lernen müssen, dass das nicht der richtige Weg ist! Sie haben leider nichts gelernt.

Darf ich zur Ursache zurückkommen? Da gab es den angeblich massenhaften Ansturm von Tunesiern nach Europa. Das war doch der Ursprung der Debatte. Berlusconi und Sarkozy haben sich dann geeinigt: „Da müssen wir halt die Grenzen schließen“. Als ob das das Problem lösen würde! Wo sind denn die Millionen von Flüchtlingen plötzlich in Europa, auf die Sie reagieren müssen? Etwas anderes gibt es: Die Europäer haben in Libyen interveniert, eine Intervention, die ich voll unterstütze. Millionen von Flüchtlingen sind von Libyen nach Tunesien gekommen. Weil es nach wie vor viele libysche Flüchtlinge in Tunesien gibt, müssen wir unsere Grenzen eventuell sperren oder das Sperren der Grenzen erleichtern? Ist das unsere Antwort auf den Arabischen Frühling? Das ist die falsche Antwort, Herr Minister, die absolut falsche Antwort!

(Beifall)

Ja, es gibt ein Problem, ein Problem an der Grenze zwischen der Türkei und Griechenland. Und dann werden wir unsere Grenzen schließen, weil das Problem nicht anders gelöst werden kann? Ist denn in diesem Europa niemand mehr da, der sagt: „Wir müssen solidarisch sein, wir müssen helfen, dass diese Grenze sicher gemacht wird gegen illegale Flüchtlinge“? Ist es denn in Europa wieder Usus geworden, auf populistische Forderungen zu reagieren? Und die dänische Präsidentschaft macht da mit? Das, finde ich, ist der Skandal. Das ist für uns nicht akzeptabel!

(Beifall)

Da trauen Sie sich noch hierher zu kommen, um zu sagen, wir sollten Ihnen eigentlich dankbar sein, dass Sie Schlimmeres verhindert haben? Ist das Ihre Vorstellung vom Europäischen Parlament, dass wir hier zu Boden kriechen und Ihnen sagen „Danke, Präsidentschaft, Ihr habt verhindert, dass es permanent neue Grenzen in Europa gibt“?

Ich weiß, warum der Rat der Innenminister das Parlament ausgeschaltet hat. Weil diese Institution gemeinsam mit der Kommission – und ich schließe mich dem Dank an die Kommissarin an – immer die Institution gewesen ist, die die Reisefreiheit, diese europäische Errungenschaft, verteidigt hat! In vielen Debatten haben wir das verteidigt. Und weil Sie wissen, dass es hier auf Widerstand stößt, wenn man Grenzen wieder dicht macht ohne Grund, haben Sie dem Parlament das Mitspracherecht bei der Evaluierung entzogen. Wenn man einige Innenminister und Innenministerinnen hört – ich denke da an eine ganz spezifische –, dann weiß man ja, woher der Wind kommt, und dann weiß man, warum man das will. Ja, einige Innenminister wollen wieder mehr Möglichkeiten haben, vor Wahlen, wie das in Dänemark der Fall war, oder bei anderen Gelegenheiten, Grenzen zu schließen. Das steht dahinter, und das lehnen wir ab.

Die sozialdemokratische Fraktion steht, genauso wie die anderen Fraktionen in diesem Haus, einmütig, und wir werden mit allen Möglichkeiten – politischen und rechtlichen Möglichkeiten – gegen das kämpfen, was Sie beginnen. Sie machen ein Tor auf für den Rechtspopulismus in Europa. Es tut mir Leid, dass es die dänische Präsidentschaft ist, die dieses Tor aufmacht.

(Starker Beifall)