Rede über Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei

Herr Präsident, Herr Ratspräsident, Herr Kommissar, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der türkische Ministerpräsident Erdoğan hat viel für sein Land getan, auch für die Veränderungen im Land in Richtung Europäische Union. Er hat aber seinem Land einen Bärendienst erwiesen, als er parallel zur Unterzeichnung des Ankara-Abkommens diese unakzeptable einseitige Erklärung abgegeben hat. Selbstverständlich muss die Türkei alle rechtlichen Konsequenzen dieses Abkommens nicht nur akzeptieren, sondern auch umsetzen.
Dennoch bin ich der Meinung, dass gerade wir in der Europäischen Union aufgerufen sind, der Türkei zu zeigen, was es heißt, europäisch zu denken und zu handeln und mit Vertrauen und Konsistenz vorzugehen. Deshalb bin ich auch der Überzeugung, dass die Europäische Union die Verhandlungen am 3. Oktober beginnen muss. Warum?
Erstens: Es wäre unverantwortlich und schlecht für Europa, würden wir den Reformprozess, der in der Türkei stattfindet – wenn auch mit Hindernissen und Problemen, auf die der Kollege Kasoulides zu Recht hinweist -, abbrechen. Im Gegenteil, wir müssen ihn fördern.
Zweitens: Wir müssen allen Gruppen in der Türkei – insbesondere auch den großen Minderheitsgruppen wie den Kurden – die Chance und die Möglichkeit geben, dass sie in diesem Reformprozess auch an Möglichkeiten der kulturellen Äußerung und der politischen Partizipation gewinnen können.
Drittens: Wir müssen dafür sorgen, dass die Türkei als anerkannter Kandidat für einen Beitritt zur Europäischen Union auch ihr Verhältnis zu allen ihren Nachbarn, insbesondere natürlich auch zu Armenien, in ähnlicher Weise verbessert, auch durch Anerkennung der eigenen Geschichte und auch der Untaten der eigenen Geschichte.
Viertens: Es ist absolut wichtig, dass wir auch der türkischsprachigen Bevölkerung auf Zypern eine Unterstützung geben. Wir reden mit Recht viel von der griechischsprachigen Mehrheit auf Zypern. Aber vergessen wir nicht, dass es die türkische Minderheit auf Zypern war, die ein klares Ja zur Wiedervereinigung gesagt hat, dass es die türkische Minderheit war, die ein klares Ja zu Europa gesagt hat. Vergessen wir auch nicht, dass Europa bisher seine Verpflichtung und seine Verantwortung gegenüber dieser Minderheit nicht erfüllt hat, was zum Beispiel den Handel und die finanzielle Unterstützung betrifft.
Aus all diesen Gründen sollten wir in unserer Haltung konsistent sein und ein klares Ja zur Aufnahme der Verhandlungen sagen. Es wird ein schwieriger Prozess werden. Es wird noch viele, viele Probleme zu lösen geben. Aber wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Türkei den Reformprozess weiterführt. Wenn die Türkei das schafft, dann kann und soll sie auch Mitglied der Europäischen Union werden. Nur wenn sie das nicht schafft, dann müssen wir nach anderen Verhältnissen suchen.
Herr Kollege Poettering, nur damit eines klar ist und keine Missverständnisse entstehen: Wir in dieser Fraktion hoffen, dass am 3. Oktober sowohl mit der Türkei als auch mit Kroatien die Verhandlungen begonnen werden können. Es wäre ein großes Signal nach vorn. Wir wollen nicht die Türkei gegen Kroatien und Kroatien gegen die Türkei ausspielen. Beide Länder verdienen, dass begonnen wird zu verhandeln. Mit einem Land, mit Kroatien, wird es sicherlich früher als mit dem anderen, der Türkei, zu einem Abschluss kommen, wenn wir jetzt beginnen können. Aber gehen wir einen gemeinsamen Weg mit diesen beiden Ländern in die Zukunft unseres Kontinents.