Rede zu Kirgististan

ep_sitzungssaalHannes Swoboda, im Namen der S&D-FraktionHerr Präsident! Frau Hohe Vertreterin! Ich danke ebenfalls für den Bericht. Es ist so: Ein Diktator oder ein Präsident, der sich diktatorisch verhält, wird gestürzt. Der Neue jubelt und freut sich über die Demokratie, die er seinen Untertanen bringt. Nach wenigen Monaten ist er in derselben Position, so dass man eigentlich meint, die Demokratie sei nur dazu wiederhergestellt worden, damit an den Sohn oder an die sonstigen Familienmitglieder entsprechende Pfründe verteilt werden können.
Wir hoffen, dass es nicht wieder dieser Zyklus ist, den wir gesehen haben, sondern dass Frau Rosa Otunbajewa eine andere Haltung mitbringt. Ihre Vergangenheit, ihre Haltung, die sie schon öfters gezeigt hat, sind Indizien dafür. Aber Indizien sind nicht genug, wir wollen wirkliche Beweise. Wenn sie nicht dasselbe Schicksal wie ihre Vorgänger erleiden will, muss sie eine andere Haltung einnehmen, muss sie schauen, dass sie den Menschen im Lande Hilfe gibt. Hoffentlich wird der jetzt geschasste Präsident so einsichtig sein, dass er nicht versucht, neue Zwietracht zu säen, sondern dass er wirklich versucht, doch in seinem Exil in Ruhe zu leben, und der kirgisischen Bevölkerung auch die Chance auf eine demokratische Entwicklung gibt.
Leider ist das, was ich kurz geschildert habe, ja nicht nur für Kirgisistan der Fall. Wir haben auch in den anderen Ländern ähnliche Verhältnisse. Wir wünschen dem Vertreter Kasachstans viel Glück bei seiner Aufgabe im Namen der OSZE. Aber so ideal sind die Verhältnisse in Kasachstan auch nicht. Und wenn ich an Usbekistan und andere Länder denke: Dort auch nicht. Das heißt, die Frage, wie wir dort die Demokratie vorantreiben können – wir können sie nicht hinbringen, das ist nicht eine Ware, die wir einfach bringen und abliefern, sondern sie muss in diesen Ländern entstehen –, ist sicherlich eine Frage, die wir weiter verfolgen müssen. Denn das ist eine sehr heikle Region, wie Kollege Brok bereits gesagt hat. Herr Morel leistet gute Arbeit als Sonderbeauftragter, aber das alleine genügt uns nicht.
Ich erinnere daran, dass insbesondere unter der deutschen Präsidentschaft mit Frank-Walter Steinmeier eine Zentralasienstrategie entwickelt wurde, von der man in letzter Zeit wenig gehört hat. Ich würde gerade Sie bitten, das wieder aufzugreifen, um aus dieser Strategie wirklich eine Stabilitätsstrategie für diese Region zu machen. Es geht nicht nur um Energieversorgung von Turkmenistan bis Kasachstan. Es ist auch eine Frage der Stabilität, der politischen Stabilität in einer Region, die sehr nahe an Afghanistan liegt. Von einigen Ländern – Usbekistan usw. – wissen wir doch genau, dass die Situation sehr fragil und sehr problematisch ist. Natürlich ist es letztendlich eine Frage der Menschlichkeit, denn jedes einzelne Opfer sollte vermieden werden.
In diesem Sinne brauchen wir einen erneuten Anlauf für eine Zentralasienstrategie mit den verschiedenen Elementen Wirtschaft, Demokratie und Humanität. Ich würde Sie bitten, den Fall Kirgisistan als Anlass zu nehmen, diese Zentralasienstrategie zu erneuern und ihr einen neuen Impuls zu geben.

Straßburg, 20.4.2010