Rede zur Anerkennung durch die EU des Völkermords an den Roma im Zweiten Weltkrieg

EU_Parlament_Strassburg_Zinner-108Hannes Swoboda, im Namen der S&D-Fraktion – Herr Präsident! Ich danke Ihnen für Ihre Stellungnahme, und ich danke auch dem Ratspräsidenten und dem Vizepräsidenten der Kommission. Ich möchte all jenen danken, die diese Stunde angeregt haben – von meiner Fraktion vor allem auch Kinga Göncz. Wie Sie heute gesagt haben, Herr Präsident, ist die Vernichtung der Roma oft in den Hintergrund gedrängt worden, wenn wir von der Vernichtung der Juden gesprochen haben. Aber es sind eben auch andere den nationalsozialistischen Gräueltaten zum Opfer gefallen. Ich erwähne hier auch die Homosexuellen, wie Sie das, Herr Präsident, in einem anderen Zusammenhang heute auch getan haben.

Ich stimme mit der Ratspräsidentin und auch mit meiner Vorrednerin überein: Das beste Gedenken ist, wenn wir gleichzeitig an die Zukunft denken. Wir können ja heute nicht zufrieden sein mit der Situation der Roma auf unserem Kontinent. Noch immer werden sie diskriminiert, noch immer gibt es Vorurteile. Wenn sich jetzt ein Land überlegt, wieder zum Namen „Zigeuner“ zurückzukehren, um nicht „Roma“ zu verwenden, damit keine Verwechslungen entstehen, dann will ich das jetzt gar nicht kritisieren, sondern nur anmerken, dass der Kampf gegen die Vorurteile, der Kampf gegen die Diskriminierung wichtig wäre, und nicht die Anpassung an die Diskriminierung, indem man einen Namen ändert.

Seit Jahren beschäftigen wir uns in diesem Parlament mit der Roma-Frage, und noch immer müssen wir – auch bei unseren Besuchen in den verschiedenen Ländern – feststellen, dass es noch immer sehr große Probleme gibt, dass der Zyklus von Diskriminierung und Benachteiligung noch immer nicht unterbrochen worden ist und dass viele Kinder heute noch immer in separaten Schulen unterrichtet werden. Daher bin ich auch sehr dankbar, dass die ungarische Ratspräsidentschaft dieses Thema aufgegriffen hat. Bei allen Differenzen, die wir haben, Frau Ratspräsidentin: In dieser Frage werden wir hoffentlich gemeinsam einen großen Erfolg erzielen.

Unsere Fraktion steht seit einiger Zeit unter Vermittlung von Martin Schulz mit Günter Grass, dem deutschen Schriftsteller, in Verbindung, der auch eine Roma-Stiftung gegründet hat. Günter Grass hat einmal gesagt: „Sie, die Romani, in ihrem permanenten Zustand der Zerstreuung, sind – genau gesehen – Europäer in jenem Sinn, den wir, gefangen in nationaler Enge, vor Augen haben sollten, wenn sich das vereinte Europa nicht zu einem bürokratischen Verwaltungs- und übermächtigen Wirtschaftskoloss entwickeln soll. Zumindest dieses Eine, ihre grenzüberschreitende Mobilität, haben uns die so genannten Zigeuner voraus. Sie sollten sich zu allererst durch einen Europa-Pass ausweisen dürfen, der ihnen von Rumänien bis Portugal das Bleiberecht garantiert.“ (Zitatende)

Wir sollten die Bedingungen schaffen, dass sich alle Roma dort zuhause fühlen, wo sie zuhause sind. Wir sollten auch die Bedingungen schaffen, dass sie in ganz Europa frei reisen können, ohne wieder ausgewiesen zu werden. Wenn wir das einmal erleben, dann haben wir wirklich viel für die Roma getan, und dann haben wir überwunden, was die Nazis so furchtbar angerichtet haben durch den Holocaust an den Roma in der Zeit des Zweiten Weltkrieges.
Brüssel, 2.2.2011