Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates (28./29. Juni 2012)

3-10-07_Swoboda_2Herr Präsident, Herr Präsident Van Rompuy! Dieser Gipfel hat die Möglichkeit, in die Geschichte der Europäischen Union und der Eurozone als Wendepunkt einzugehen. Hier wurden viele Dinge entschieden, die uns positiv nach vorne bringen können, wenn es auch von den Regierungschefs, die so beschlossen haben, anerkannt wird – ich werde noch darauf kommen – und wenn die Kommission und dieses Parlament nun auch die konkreten Vorschläge zu dieser Gesetzgebung machen, z. B. bei der Bankenunion.

Es heißt Abschied nehmen, Abschied nehmen von Merkozy, Abschied nehmen von einer Struktur, wo zwei – ich korrigiere mich: eine – geglaubt hat, bestimmen zu können, was in Europa geht und was nicht geht. Ich bin dem Präsidenten François Hollande sehr dankbar, der die sozialdemokratische Stimme verstärkt hat. Ich bin ebenso Mario Monti sehr dankbar, der mit einer ähnlichen Hartnäckigkeit wie Frau Merkel gezeigt hat, dass es nicht so weitergehen kann. Und ich danke auch Herrn Rajoy, denn auch Herr Rajoy hat bemerkt, dass es in Europa Änderungen geben muss, soll es nicht zu einer fatalen Krise der Eurozone und Europas insgesamt kommen. Wir sehen jetzt Licht am Ende des Tunnels, wir sind noch nicht durch den Tunnel, da haben alle Recht. Aber immerhin, wir sehen das Licht. Und es gilt jetzt, diesem Licht zuzustreben.

Es gibt zwei mögliche wirtschaftliche Kreisläufe, zwischen denen wir uns entscheiden müssen. Der eine ist Austerität, er reduziert Wachstum und Investitionen und erhöht das Defizit. Das ist der Kreislauf, in dem wir uns befinden. Und der andere Kreislauf ist Wachstum und Investitionen, er reduziert das Defizit und erhöht das budgetäre Gleichgewicht und damit auch wieder Wachstum und Beschäftigung. Heute wurde gemessen, dass wir die höchste Arbeitslosigkeit in der Eurozone haben, daher ist es höchste Zeit, dass wir das, was wir beim Gipfel beschlossen haben, umsetzen und noch mehr dazu tun. Die Arbeitslosen verdienen es, dass wir ihnen wirklich versprechen, dass wir das umsetzen.

Dies ist auch keine Abkehr von den Reformen. Wollen Sie sagen, Herr Monti macht in Italien keine Reformen? Dann sagen Sie es hier ganz deutlich! Sagen Sie, Herr Rajoy macht keine Reformen in Spanien? Dann soll man es hier sagen! Aber was nützen Reformen, wenn es kein Wachstum gibt, das die Reformen unterstützt? Das, was beim Gipfel beschlossen wurde, ist eigentlich die einzige Chance, dass die Reformen überhaupt gelingen können, und daher ist es auch richtig.

Lassen Sie mich aber ganz klar sagen: Es gibt zwei Premierminister – so höre ich –, die sich jetzt schon vom Gipfelbeschluss wieder absentiert haben, die gesagt haben, sie werden da nicht zustimmen können. Ich muss die Premierminister von den Niederlanden und von Finnland fragen: Haben Sie geschlafen? Es war spät in der Nacht, das kann sein. Haben Sie nicht verstanden, worum es geht? Oder wollen Sie zu Hause etwas anderes sagen als in Brüssel? In allen Fällen ist es ein Skandal. Herr Van Rompuy, ich bitte Sie, fordern Sie die beiden Premierminister auf, sich zum Gipfelergebnis zu bekennen!

(Beifall)

Ich bitte die Kommission, jetzt schnell Vorschläge vorzulegen, was die Bankenunion betrifft und vieles andere mehr. Die Kommission und das Europäische Parlament haben schon vor zwei Jahren darauf hingewiesen, wie wichtig es wäre, eine wirkliche europäische Bankenaufsicht zu haben. Schon damals haben der Rat und seine Mitglieder gesagt, das ist alles viel zu viel, die Verantwortung müssen wir übernehmen, nicht wissend oder nicht wissen wollend, wie die Verknüpfung und die Vernetzung in den Finanzsystemen ist, und dass wir diese europäische Aufsicht brauchen.

Wir hätten das alles schon haben können. Und damit komme ich auch auf einen weiteren wesentlichen Punkt, Herr Van Rompuy: das Verhältnis des Rates und einiger Premierminister oder Minister zum Europäischen Parlament. Wenn ich mit Schengen beginnen darf: Es ist skandalös, was gemacht worden ist – wir haben das auch der Ratspräsidentschaft ganz deutlich gesagt –, das ist nicht akzeptabel! Ich bin Ihnen, Herr Präsident Barroso, sehr dankbar, dass Sie das heute noch einmal ganz klar und deutlich unterstützt haben.

Europäisches Patent: Seit wann, Herr Van Rompuy, beginnt der Europäische Rat um Mitternacht Gesetzgebung zu machen? Das ist nicht die Aufgabe des Rates. Gesetzgebung ist Aufgabe des Rates mit dem Europäischen Parlament, aber nicht des Europäischen Rates. Die meisten Premierminister – und ich würde ihnen das nicht verübeln – wissen gar nicht im Detail, was sie aus der Regelung herausgestrichen haben. Ist es wirklich eine so tolle Lösung – Herr Callanan ist mir die Antwort ja noch schuldig geblieben –, dass Großbritannien jetzt drei Vorsitze vorschlägt? Vielleicht will Großbritannien in London auch einen zusätzlichen Sitz des Europäischen Parlaments, das ist ja auch möglich, vor oder nach dem Referendum. Ich weiß ja nicht, was Herr Cameron sich vorstellt.

(Beifall)

Ich bin sehr dankbar dafür, was der Herr Kommissionspräsident dazu gesagt hat. Die Bankenunion, das habe ich schon gesagt, hätte man schon längst haben können. Ich verstehe noch immer nicht – Herr Van Rompuy, es ist vielleicht nicht Ihre Schuld –, warum der Parlamentspräsident nicht zu den Beratungen eingeladen ist. Hier geht es nicht um Detailgesetzgebung, es geht um die Zukunft Europas. Sie diskutieren über die Zukunft Europas ohne einen Vertreter des einzigen direkt gewählten Organs der Europäischen Union! Das finde ich skandalös, das ist eine Haltung, die ich nicht akzeptieren kann!

(Beifall)

Diskutieren Sie mit uns, laden Sie uns ein! Wie das Beispiel der Bankenunion zeigt: In fast allen Fraktionen in diesem Haus haben wir gute Ideen, wir haben sie nur früher als der Rat. Es wäre nicht schlecht, wenn der Rat durch Diskussionen mit dem Europäischen Parlament auch einmal früher auf diese Ideen kommt. Hören Sie ein bisschen mehr auf das Europäische Parlament und laden Sie den Parlamentspräsidenten zu den Beratungen ein!

(Beifall)