Am Frieden basteln

Eine Friedenslösung im Nahen Osten ist, so langwierig die Arbeit daran auch ist, in unser aller Interesse unverzichtbar.
Die Beschäftigung mit dem Nahen Osten nahm diese Woche kein Ende. Der EU-Beauftragte für das Nah-Ostproblem, Miguel Moratinos, kam dieser Tage nach Brüssel.

Im Interesse Europas

Sowohl im Außenpolitischen Ausschuss als auch im kleinen Kreis demonstrierte er seine feste Entschlossenheit, am Friedensprozess weiterzubasteln – trotz aller entmutigenden Entwicklungen der letzten Jahre und vor allem der letzten Monate. Und mehr als ein Basteln ist derzeit auch gar nicht möglich. Trotzdem ist eine Friedenslösung, so langwierig die Arbeit daran auch ist, gerade im Interesse der palästinensischen Bevölkerung wie auch im Interesse Israels und seiner Sicherheit und damit im Interesse der Sicherheit in Europa unverzichtbar.

Gestern Abend hatten zwei bayrische Europaabgeordnete, Jannis Sakellariou und Wolfgang Kreissl-Dörfler, zu einer Nah-Ostdiskussion nach München eingeladen. Trotz der Vorweihnachtszeit und des Freitagabend-Termines war die Veranstaltung gut besucht. Gemeinsam mit meinem spanischen Kollegen Menéndez del Valle und einem anerkannten PDS-Abgeordneten jüdischer Herkunft, André Brie, versuchten wir, die verschiedenen Aspekte des Nah-Ostproblems zu beleuchten.

UN-Resolution von 1947

Ausgangspunkt meiner Überlegungen die UN-Resolution zu „Palästina“ von 1947. Sie legt klar fest, dass zwei Staaten entstehen sollen: ein arabischer und ein jüdischer, ergänzt durch eine international regierte Einheit – Jerusalem. Alle sollten gemeinsam eine Wirtschaftsunion bilden. Leider haben die arabischen Nachbarn und die Palästinenser diesen Teilungsplan nicht akzeptiert, und dafür büßen sie noch heute.

Auch unmittelbar nach dem Krieg 1967 und der Besetzung der arabischen Teile Palästinas forderten die Vereinten Nationen den Rückzug der israelischen Truppen und eine dauerhafte Friedenslösung. Auch in vielen Resolutionen, die folgten, gab es ähnliche Forderungen an Israel, unter anderem gegen die neuerliche Besetzung der palästinensischen Gebiete nach dem Friedensprozess von Oslo und gegen Terroraktivitäten der palästinensischen Seite. Aber all diese Resolutionen nützen nichts, wenn sie nicht umgesetzt werden, und sie werden nicht umgesetzt, wenn kein Dritter – also ein oder mehrere Unbeteiligte – dies nicht durchsetzen.

Ungleiche Gegner

Das Nah-Ostproblem ist ein Lehrbeispiel für den Einsatz internationaler Beobachtungs- und Überwachungstruppen. Da sich hier aber nicht zwei gleichwertige, sprich gleichbewaffnete Gegner gegenüberstehen, sondern der eine Teil hochgerüstet ist und der andere Teil ohne jegliche Armee kämpft und daher (leider!) zu den Waffen des Terrors greift, ist kein Konsens über den Einsatz internationaler Kontingente möglich.

Israel fühlt sich nicht nur als der Stärkere, sondern ist es auch ganz eindeutig. Je stärker sich Israel allerdings gebärt, desto mehr provoziert es terroristische Aktivitäten. Der starke Sharon verursachte die meisten Toten Israels in „Friedenszeiten“. Seine brutale Rechnung ging zwar nicht auf. Aber in der nationalistisch aufgeheizten und immer militärischeren Gesellschaft Israels kann Sharon noch immer auf starke Unterstützung hoffen.

UN-Resolution ganz umsetzen

Die katastrophale wirtschaftliche und soziale Lage wird durch den Appell der Rechten an die Sicherheitsinteressen aus dem Blickwinkel der Öffentlichkeit gedrängt. Der neue Vorsitzende der Arbeiterpartei, Amram Mitzna, will aber gerade an diesen wirtschaftlichen Folgen der permanenten Einsätze des Heeres in den besetzten Gebieten, ansetzen – ich hoffe, mit Erfolg.

Wenn es darum geht, dem internationalen Recht einigermaßen Respekt zu zollen, dann müssten wir daran festhalten, dass die internationale Gemeinschaft aufgerufen ist, den Frieden im Nahen Osten durch das Durchsetzen der Resolution von 1947 herbeizuführen. Bisher wurde ja nur ein Teil davon – die Existenz Israels – realisiert.
Aufgrund der faktischen Machtverhältnisse im Nahen Osten ist ohnedies weder ein palästinensischer Staat in der festgelegten Größe noch Jerusalem als internationale Einheit herstellbar. Das haben die Araber durch ihren langen Kampf gegen Israel verspielt, und Israel hat dies durch seine Besetzungspolitik und die militärisch-strategische Siedlungstätigkeit verunmöglicht.

Antisemitischer Zungenschlag

Alle diese Punkte haben wir in München in großer Einstimmigkeit unserem Publikum vermittelt. Zweifellos müssen derartige Debatten und Positionierungen in Deutschland aufgrund der Geschichte mit großer Sorgfalt entwickelt werden. Nur bei einer Wortmeldung kam an diesem Abend ein leicht antisemitischer Zungenschlag zum Vorschein: beim Vergleich Israels mit Nazideutschland. Ich antwortete darauf, was ich auch manchem Palästinenser sage, wenn er ähnliches von sich gibt: Dieser Vergleich ist falsch und dumm zugleich. Und er fällt auf jene zurück, die ihn verwenden! 
München, 6.12.2002