Das Beziehungsdreieck Europa – USA – arabische Welt

Europa ist zweifellos aufgerufen, unseren Nachbarn entlang des Mittelmeers zu helfen, aber es bedarf schon eigener großer Anstrengungen, um Fortschritte zu erzielen.
Bei schönem spätsommerlichen Wetter befinde ich mich in Petra, unweit der weltweit berühmten in Fels gehauenen Kunstschätze. Da ich allerdings noch vor Ende der Konferenz des Bruno Kreisky Forums und des Arab Thought Forums nach Wien zurück muss, werde ich diese leider nicht zu Gesicht bekommen.

Viel Kritik

Thema unserer Tagung ist das Beziehungsdreieck Europa – USA – arabische Welt. Ich wurde gebeten, eine der Diskussionsrunden zu leiten. Von arabischer Seite kam viel Kritik an Amerika, aber auch an Europa. Anlass war insbesondere der Konflikt Palästina-Israel. Unsere arabischen Freunde werfen Europa mangelnde Autonomie und Selbstständigkeit gegenüber den USA vor. Wir sollten geeint und klar nicht nur für die Palästinenser Stellung beziehen, sondern letztendlich auch militärisch intervenieren, um den Frieden im Nahen Osten herzustellen und einen eigenen palästinensischen Staat zu ermöglichen.

Geduldsprobe

In vielen Punkten gab ich den arabischen Freunden recht. Angesichts der Selbstgefälligkeiten und der Blindheit gegenüber den eigenen Fehlern allerdings riss mir auch als neutral zu bleibender Vorsitzender einer der Gesprächsrunden die Geduld. Erstens fragte ich, wo denn die arabische Einigkeit und Einmütigkeit angesichts des Palästinaproblems bleibe. Denn die arabischen Regierungen sind letztendlich genauso uneinig wie die Europäer. Einige hatten einen Separatfrieden mit Israel geschlossen, andere nicht. Einige unterstützen die radikalen Terrororganisationen – offen oder verdeckt -, andere setzen mehr auf Arafat, etc. Zweitens sind etliche Regierungen abhängiger von den USA als viele europäische Staaten. Zum Teil deshalb, weil sie amerikanisches Geld und Sicherheitsgarantien bekommen und so ihr autoritäres Regime aufrecht erhalten können. Meine kritischen Schlussbemkerkungen haben allerdings eine Reihe von Äußerungen provoziert, sodass ich die Debatte verlängern musste. Allerdings gab es auch einige positive Anmerkungen, die mir im Kern recht gaben.

Hilfe zur Selbsthilfe

In einigen Debattenbeiträgen zu Beginn der Konferenz gab es selbstkritische Äußerungen. Sie bezogen sich auf die mangelnde Demokratie, auf die fehlende Zivilgesellschaft und auf verfehlte wirtschaftspolitische Entscheidungen. Allein wenn man die Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Forschung in den meisten arabischen Ländern betrachtet, erkennt man, dass ein Aufholen gegenüber modernen, entwickelten Staaten derzeit nicht stattfindet. Europa ist zweifellos aufgerufen, unseren Nachbarn entlang des Mittelmeers zu helfen, aber es bedarf schon eigener großer Anstrengungen, um Fortschritte zu erzielen. Den arbeitslosen Jugendlichen muss mehr geboten werden als eine Emotionalisierung im Zusammenhang mit dem tragischen Schicksal der Palästinenser. Innere Reformen im Sinne eines weniger autoritären Regierungsstils, vor allem aber kräftigere Wirtschaftsimpulse, sind dringend geboten.
Petra, 3.10.2004