Das neue Energiepaket ist da

Die Versorgungssicherheit, die relativen Preiseffekte und die geringen Kosten der Neustrukturierung in Folge der EU-Gesetzgebung sind für uns die wichtigste energiepolitische Zielsetzung.
Das lang erwartete und schon oft in den Medien vordiskutierte Energiepaket ist diese Woche seitens der EU-Kommission vorgelegt worden. Viele bezeichnen es als Liberalisierungspaket.

Liberalisierung und Regulierung

In der Tat ist die Liberalisierung des Marktes ein Ziel dieser Vorschläge. Aber anderseits beschäftigt es sich auch ausführlich mit der Regulierung des Strom- und Gasmarktes. Wie immer, die Entwicklung der Energiemärkte ist widersprüchlich. Die Auswirkungen der früheren Liberalisierungsschritte, insbesondere auf die Preise, sind schwer zu beurteilen, sind doch die „Einstandspreise“ für Erdöl und Erdgas in letzter Zeit extrem stark gestiegen.
Darüber hinaus führt natürlich die Marktöffnung in der ersten Phase zu Abwehrreaktionen und unter anderem zu europaweiten Zusammenschlüssen, die eine Oligopolsituation entstehen lassen können. Liberalisierungen führen so nicht, vor allem nicht in der ersten Phase, zu einer Vervielfältigung und Intensivierung des Wettbewerbs durch eine Vielzahl kleiner Anbieter. Dies ist zwar der Traum der Liberalisierer, aber nicht die Realität. Vor allem die bestehenden Unternehmungen finden auf Grund ihrer Marktmacht, ihrer Bekanntheit und Erfahrung, etc. Wege, um die Herausforderung durch neueintretende Marktteilnehmer gering zu halten. Wenn nicht anders, so durch Zusammenschluss mit einem anderen, bereits aktiven Marktteilnehmer.

Europäische Regulierungsagentur muss her

Die Marktöffnung ist also ein sehr diffiziler und langfristiger Prozess. Und auch Wettbewerb kommt nicht ohne Regulierung aus. Deshalb beinhaltet auch das neue Energiepaket der EU-Kommission viele Vorschläge zur Neuordnung der nationalen und europaweiten Regulierung inklusive der dafür zuständigen Behörden. Diese sind in den einzelnen Mitgliedsstaaten der EU heute sehr unterschiedlich organisiert, und es gibt nur in Ansätzen eine europaweite Koordinierung der einzelnen nationalen Regulierungsbehörden.
Das muss sich ändern, und zwar durch eine Harmonisierung der Rechte und Pflichten der Regulierungsbehörden und durch die Schaffung einer europäischen Agentur, die die einzelnen nationalen Institutionen koordiniert. Natürlich bedarf es auch einer besseren Zusammenarbeit der Betreiber der Übertragungsnetze und der Stromproduzenten hinsichtlich ihrer Investitionsprogramme. Aber das darf keineswegs im Widerspruch zum Wettbewerb stehen. Auch diesbezüglich müssen die Regulierungsbehörden wachsam sein.

SPÖ-ExpertInnenhearing

Man sieht also, dass man mit Schlagworten nicht weiter kommt. Wichtig sind klar definierte Zielsetzungen, die die neue EU-Gesetzgebung erfüllen sollen. In einem ExpertInnenhearing, zu dem wir von der SPÖ zwei Tage nach der Veröffentlichung der Kommissionsvorschläge heute in Wien eingeladen haben, meinte ich, dass die Versorgungssicherheit, die relativen Preiseffekte und die geringen Kosten der Neustrukturierung in Folge der EU-Gesetzgebung die wichtigsten Zielsetzung sind. Das Energiepaket muss die Investionen in das Netz, aber auch in die Produktion von Energie, insbesondere Strom, anregen, so dass keine Engpässe in der Erzeugung und/oder der Verteilung entstehen bzw. die bestehenden behoben werden. Die Energiepreise sollen so niedrig als möglich sein, um die Wettbewerbsfähigkeit Europas (Österreichs, etc.) zu stärken.
Natürlich können wir nicht die Weltmarktpreise korrigieren, aber wir sollten keine unnötigen Preiserhöhungen mangels Wettbewerb zulassen. Und zuletzt muss danach getrachtet werden, dass die notwendigen Umstrukturierungen nicht mehr kosten als sie an Einsparungen bringen. Wobei auch anzumerken ist, dass die anvisierte Trennung vom Verteilernetz und der Stromproduktion bzw. den Gaslieferanten die Eigentumsfrage nicht berührt. Öffentliches Eigentum ist in allen Bereichen des Energiesektors weiterhin möglich.

27 Interessen unter einen Hut bringen

Es wird noch viele Monate dauern, bis das Energiepaket nach langwierigen Beratungen in Parlament und Rat beschlossen werden kann. Man kann diese langwierigen Prozeduren kritisieren, aber anderseits sind sie ein gewisser Schutz vor überhasteten Regelungen und überdies müssen ja die Interessen von 27 Mitgliedsländern unter einen Hut gebracht werden, ganz zu schweigen von vielen anderen Produzenten- und Konsumenteninteressen. Daher werden noch viele Fortsetzungen zu diesem Tagebucheintrag folgen. (Siehe dazu auch das das von Andreas Schieder und mir verfasste Thesenpapier zur Europäischen Energiepolitik im Bereich Aktuelles/Hintergrund).

Wien, 21.9.2007