Demokratie ist schwierig

Trotz des politischen Wechsels in Amerika durch einen starken und extrem populären Präsidenten sowie einer Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses läuft nicht alles so, wie Obama und seine Leute es sich wünschen, weil es nach wie vor eine Reihe von Blockaden gibt.
Ein Anliegen haben wir in Washington besonders thematisiert, vor allem in Gesprächen mit VertreterInnen des sogenannten „National Democratic Institut“, einer Stiftung, die den Demokraten nahesteht sowie mit Senator Benjamin Cardin: die Stärkung der OSCE.

Versuch, OSCE zu schwächen

Die OSCE mit Sitz in Wien ist jene Organisation, die in Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, der Sicherheit, der Menschenrechte und damit auch der demokratischen Wahlen für Europa verantwortlich ist. Auch Russland, die USA oder Kanada sind Mitglieder, und somit reicht die OSCE weit über die eigentlichen europäischen Länder hinaus. Trotzdem ist sie sowohl von vielen europäischen Ländern als auch vor allem von Amerika vernachlässigt und von Russland zum Teil unterhöhlt worden. Russland wünscht sich, dass die OSCE gerade in Fragen der Wahlbeobachtung, der Demokratieentwicklung oder der Menschenrechte keine ausschlaggebende Rolle mehr spielt.
Die OSCE ist die Nachfolgeorganisation der sogenannten KSCE, der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit, die in Helsinki gegründet wurde und unter anderem mitgeholfen hat, dass der Prozess der Veränderung in den kommunistischen Ländern mit dem Pochen auf Demokratie, mehr Mitwirkung, mehr Transparenz und mehr Respekt für die Menschenrechte in Gang gekommen ist.

OSCE muss gestärkt werden

Russland musste das zwar akzeptieren, ist aber nicht daran interessiert, dass dasselbe in jenen Ländern passiert, die zum russischen Einflussgebiet gehörten bzw. aus seiner Sicht noch immer gehören und wo es in der jüngsten Vergangenheit zu verschiedenfärbigen – orange-rosa-violetten und sonstigen – Revolutionen gekommen ist. Aus diesem Grund möchte Russland die Wirksamkeit der OSCE begrenzen und einschränken.
Wir begrüßen Präsident Medwedews Vorschlag, über europäische Sicherheit neu zu diskutieren und eine neue Konferenz einzuberufen. Allerdings sollten wir auch klarmachen, dass die bestehende Organisation, an der wir alle beteiligt sind, nämlich die OSCE mit Sitz in Wien, auch weiterhin eine große Rolle spielen und nicht geschwächt, sondern gestärkt werden soll.

„Exit-Strategie“ für Afghanistan

Um nukleare Abrüstung, um die Frage der Bewaffnung und vor allem der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen ging es einmal mehr in unserem Gespräch mit dem Abgeordneten Ike Skelton. Er ist der Vorsitzende des Bewaffnungsausschusses. Bei ihm wie bei vielen anderen stand die Bewaffnung des Irans im Mittelpunkt. Iran und natürlich Afghanistan sind die beiden großen Fragestellungen, die außenpolitisch die nächste Administration beschäftigen werden. Der Rückzug aus dem Irak ist angesagt worden und wird auch umgesetzt werden. Obama hat sich festgelegt, dass er sich mehr auf Afghanistan konzentrieren möchte und dabei auch Unterstützung von Europa verlangt, insbesondere was Polizeiausbildungen, Wahlbeobachtungen und, wo es möglich ist, auch militärische Unterstützung betrifft.
Afghanistan ist ein sehr schwieriges Land, das nicht mit mitteleuropäischen Maßstäben gemessen werden kann. Es ist vor allem ein Land mit vielen Stämmen, die versuchen, jeweils eine gewisse Region unter ihre Herrschaft zu bringen bzw. zu behalten. Hinzu kommen Fragen des Islams, der Religion etc. Es wird für die Obama-Regierung zweifellos schwierig, in dieser Hinsicht Fortschritte zu erzielen. Bleibt zu hoffen, dass Afghanistan nicht der Irak von Bush bzw. das Vietnam von Kennedy, Johnson und Nixon wird. Es gilt auch hier, eine so genannte“ Exit Strategie“ zu entwickeln, ohne dass das Land erneut zusammenbricht oder in die Hände der Taliban fällt.

Iran-Strategie entwickeln

Der Iran ist schwer zu beurteilen. Wir wissen nicht, wie es bis zur Wahl des Präsidenten weitergeht und wer im Frühjahr gewählt werden wird. Es wird sehr schwierig werden, den Iran zu zwingen, das Atomprogramm aufzugeben – insbesondere dann, wenn die Abrüstung nicht generell auf die globale Tagesordnung kommt. Vielleicht will der Iran nicht unbedingt eine Atombombe. Zweifellos strebt er aber die Fähigkeit zur Entwicklung der Atombombe an. Wenn es der Iran so weit bringt, dann werden natürlich andere Länder in dieser Region, wie Saudi Arabien oder Ägypten, ähnliches versuchen – und das wäre eine äußerst prekäre Situation nicht unweit von Europa, die uns sicherlich nicht ruhig schlafen lassen kann.
Was aber ist, wenn Verhandlungen, Gespräche und eine andere Iranpolitik nicht zum Ziel führen? Man sollte sich auch darüber zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu viele Sorgen machen. Es wurde nicht einmal damit begonnen, eine alternative Strategie für den Iran zu entwickeln – eine Strategie der Gespräche, der Diskussionen und des Respekts für den Iran als großes historisches Land, als regionale Macht und als ein Land, das helfen kann, zu friedlichen Entwicklungen zu kommen. Man müsste etwas derartiges zumindest ausprobieren, bevor man mit Gewalt versucht, die Dinge zu verändern und den sogenannten Regime-Change ansagt, also die gewaltsame Veränderung der Regierung des Irans und des gesamten Systems.

Multilaterale Außenpolitik

Neben den Vertretern des Außenministeriums, den Vertretern des Senats und des Repräsentantenhauses haben wir mit einer Reihe von NGOs bzw. unabhängigen ExpertInnen gesprochen, die sich mit den Fragen amerikanischer Politik, insbesondere mit der Außenpolitik und dem Verhältnis zu Europa, beschäftigt haben. All diese ExpertInnen bestätigen im Kern, dass die USA einen tatsächlichen Wandel in der Frage der Außenpolitik durchmachen. Multilateralität ist angesagt, also die Bereitschaft, mit anderen gemeinsam vorzugehen und von vornherein die politische Situation sowie das notwendige Handeln mit anderen zu definieren und abzusprechen.
Man vermittelte uns, dass dieser Wandel sichtbar ist und die Reden von Obama und Joe Biden in München und Hillary Clinton bei verschiedenen Gelegenheiten einen klaren Richtungswechsel zeigen. Das bedeutet aber keinen totalen Richtungswechsel in dem Sinne, dass amerikanische Politik jetzt auf europäische Art gemacht wird – und das ist von den Vereinigten Staaten auch schwer zu erwarten. Dennoch gibt es grundlegende Unterschiede zu Bush und wesentliche Verbesserungen, die nicht nur an der Oberfläche bleiben werden. Diese Situation muss man ausnützen, um gewisse Dinge voranzutreiben, und diese Entwicklung muss in den europäischen Hauptstädten, insbesondere in Brüssel, wahrgenommen werden.

Blockadepolitik der Republikaner

Die Republikaner werden das nicht schweigend hinnehmen, im Gegenteil: Sie haben bereits mit einer Blockadepolitik begonnen. Es hat sich gezeigt, dass die eher liberalen, zu Gesprächen mit den Demokraten bereiten Republikaner an der Ost- und Westküste bei den letzten Wahlen verloren haben und dass die engstirnigen Hardliner unter den Republikanern aus den mittleren Bereichen des Landes, die die Bushlinie vertreten haben, gewonnen haben.
Das bringt in Amerika eine Reihe von Schwierigkeiten mit sich. Die Erlangung der 2/3 Mehrheit der 67 Stimmen im Senat für die Zustimmung vom Atomteststopvertrag beispielsweise ist vor diesem Hintergrund äußerst schwierig. Aber auch viele andere Fragestellungen sind davon betroffen, bis hin zum Wirtschaftsbereich, wie wir in den letzten Tagen gesehen haben. Einige der Gouverneure aus diesem Hardlinerfeld, allen voran ein jüngerer farbiger Gouverneur, profilieren sich gegen Präsident Obama und haben auch angekündigt, dass sie finanzielle Mittel, die Obama für das Wirtschaftsprogramm beschlossen hat, nicht in Anspruch nehmen werden. Das können sie natürlich leicht sagen, weil in ihren Wahlkreisen nicht jene Arbeitslosigkeit herrscht wie in den eher industrialisierten Bereichen des Westens und des Ostens.

Demokratie ist schwierig

Es zeigt sich also, dass trotz des politischen Wechsels in Amerika durch einen starken und extrem populären Präsidenten sowie einer Mehrheit in den beiden Häusern des Kongresses nicht alles so läuft, wie Obama und seine Leute es sich wünschen, weil es nach wie vor eine Reihe von Blockaden gibt. Demokratie ist schwierig, und hier geht´s ja nicht um absolute Mehrheiten wie zum Beispiel in England und anderen Ländern. Daher wird es sowohl beim Atomtestvertrag als auch bei der für uns zentralen Frage des Klimawandels enorm schwierig werden.
Viele meinten, dass es kaum wahrscheinlich ist, dass die USA vor den Verhandlungen in Kopenhagen Ende dieses Jahres einen Beschluss über die weitere Vorgangsweise angesichts der Klimakatastrophe fassen werden. Ob schließlich ein entsprechendes Abkommen ratifiziert werden wird oder ob es so wie bei Kioto im Kongress steckenbleibt und es zu keiner Ratifizierung kommt, ist nicht nur offen, sondern sehr fraglich.

Leiser Optimismus

So stehen wir also vor der Tatsache, dass die USA auf der einen Seite einen neuen Präsidenten mit einer neuen Verwaltung und einem mehrheitlich demokratischen Kongress haben. Diese wollen mit Europa Veränderungen vornehmen – bei wirtschaftlichen Regelungen, in Fragen der Abrüstung, aber auch im Bereich der globalen Umweltpolitik, insbesondere beim Klimawandel. Auf der anderen Seite gilt es aber in den USA noch viele Blockaden und Hindernisse zu überwinden, um diesen Willen auch in einer entsprechenden Gesetzgebung zum Ausdruck zu bringen.
Vor diesem Hintergrund haben wir dieses Land, das ja auch sonst sehr widersprüchlich und vielfältig ist, allein, wenn man die beiden Städte New York und Washington vergleicht, mit einem gewissen Optimismus verlassen. Allerdings nicht in der Illusion, dass die notwendigen Schritte schon in kürzester Zeit im europäischen Sinn und gemeinsam mit Europa geregelt werden können. Wir sind uns bewusst, dass es vieler Argumente und großer Überzeugungskraft in der Öffentlichkeit bedarf, um zum Ziel zu kommen.

Obama unterstützen

Derzeit agieren die Republikaner gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Wird die Zustimmung für Obama sinken und werden die Republikaner mit ihrer engstirnigen Politik mehr Zustimmung bekommen, wenn sich die Administration abnützt oder der eine oder andere Fehler gemacht wird? Oder werden sich die Republikaner bei gleichbleibend starker Unterstützung für Obama doch wieder stärker an der Meinung der Bevölkerung orientieren müssen?
Das sind die offenen Fragen, die wir von außen nicht beeinflussen können, aber bei denen gerade die vielen „think tanks“ und ExpertInnen, die in der amerikanischen Öffentlichkeit wirksam agieren, Obama unterstützen können und das hoffentlich in den nächsten Monaten und Jahren auch tun werden.

Washington, 25.2.2009