Wir brauchen die nukleare Abrüstung

Gerade in Zeiten wie diesen benötigen wir Geld für etwas anderes und stellen Fragen der Abrüstung sowie der Nichtverschwendung von finanziellen Mitteln für Atomwaffen ein wichtiges Ziel dar.
Von New York flogen wir weiter nach Washington, dem Hauptzielort unseres Besuches in den USA.

Moralische Doppelzüngigkeit aufgeben

Als erstes führten wir hier ein Gespräch mit der Abgeordneten Ellen Tauscher. Sie ist Vorsitzende des Unterkomitees für strategische Waffen. Natürlich bildete das Thema nuklearer Abrüstung und Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen den Schwerpunkt. Ellen Tauscher ist eine sehr prominente Abgeordnete. Sie hatte im Dezember letzten Jahres via Videokonferenz an unserer Tagung über nukleare Abrüstung in Brüssel teilgenommen und hat sich auch diesmal sehr viel Zeit genommen, um mit uns die Fragen der nuklearen Abrüstung zu diskutieren. Wir haben viele Gemeinsamkeiten gefunden und auch vereinbart, in den nächsten Monaten zu versuchen, verschiedene Schritte gemeinsam zu gehen.
Ich muss vielleicht bei dieser Gelegenheit anmerken, dass die Frage der nuklearen Abrüstung deswegen so wichtig ist, weil je mehr Nuklearwaffen existieren, desto größer das Risiko ist. Gerade in Zeiten wie diesen benötigen wir Geld für etwas anderes und stellen Fragen der Abrüstung sowie der Nichtverschwendung von finanziellen Mitteln für Waffen ein wichtiges Ziel dar. Diese Tatsache sollte uns wieder stärker ins Bewusstsein kommen. Wir werden die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen nur dann glaubwürdig vertreten können, beispielsweise gegenüber dem Iran, aber auch gegenüber anderen Ländern, wenn auch die großen Länder, die Atomwaffen besitzen, zumindest eine grundsätzliche Bereitschaft äußern, darauf zu verzichten. Und wenn diese Länder die moralische Doppelzüngigkeit aufgeben, einerseits auf Atomwaffen zu beharren, sie auch modernisieren zu wollen, zum Teil auch den Atomwaffentestverbotsvertrags nicht zu unterzeichnen, und auf der andren Seite allen anderen Ländern verbieten, Atomwaffen zu entwickeln.

Vertrag über Atomtestverbote noch ausständig

Ich bin gegen die Weiterverbreitung von Atomwaffen, unabhängig davon, welche Länder Atomwaffen besitzen. Die Nichtweiterverbreitung setzt allerdings schon voraus, dass es ernsthafte Abrüstungsbemühungen gibt und dass möglichst alle Länder, inklusive den USA, den Vertrag über Atomtestverbote unterzeichnen. Es gibt ja in Wien die zuständige Behörde, die effektivst arbeitet und die genaue Kenntnisse über alle möglichen Versuchsstationen hat, die über genaue Tests physikalischer und chemischer Natur verfügen, um solche Atomtests aufzuspüren.
Der Vertrag im eigentlichen Sinne ist allerdings noch nicht in Kraft getreten, weil etliche Länder, die für die Ratifizierung notwendig sind, ihn nicht ratifiziert haben – etwa die USA, aber nicht nur sie. Dabei ist der Nachweis von Atomtests durchaus möglich und auch schon mehrmals getroffen worden. Daher könnte dieser Vertrag endlich von allen, inklusive der USA, unterzeichnet werden. Trotzdem gibt es noch eine andere Schwierigkeit, die wir auch mit Ellen Tauscher diskutiert haben. Es sind 67 Stimmen für die Ratifizierung im Senat notwendig, die Demokraten haben allerdings nur 58 Sitze. Ob man tatsächlich auf die 67 Stimmen kommt, ist völlig offen.

Generell für Abrüstung einsetzen

Diese Frage haben wir im Übrigen auch mit Vertretern mehrerer aktiver NGOs diskutiert, die wir in New York getroffen haben. Sie sind natürlich sehr froh über die neue Obama-Administration und die vielen MitarbeiterInnen im Obama-Team, die sich für eine andere nukleare Politik und die nukleare Abrüstung interessieren. Allerdings bezweifeln auch sie, ob es im Senat ausreichend Stimmen zur Ratifizierung des Atomtestvertrags geben wird. Aus ihrer Sicht ist es außerdem ganz essentiell, angesichts der Debatte über die nukleare Abrüstung nicht auf die generelle Abrüstung zu vergessen. Das sogenannte START-Abkommen mit Russland beispielsweise läuft Ende dieses Jahres aus und es wäre wichtig, diese Gespräche wieder in Gang zu bringen.
Eine Fortsetzung dieser Diskussionen fand mit dem Abgeordneten Delahand statt, der sich mit vielen Fragen der internationalen Organisationen, der Menschenrechte, aber auch der transatlantischen Kooperation auf dem Gebiet der Sicherheit und der Verteidigung beschäftigt hat. Delahand war auch jener US-Politiker, der mit uns die meisten Ansichten geteilt hat und sich auch an einer neuen Position und Diskussion zwischen der EU und der USA unter Einbeziehung Russlands interessiert gezeigt hat.

Neue Positionen

Russland stand bei Gesprächen mit mehreren Vertretern des Außenministeriums im Mittelpunkt. Einer der Experten, der soeben von einer Russlandreise zurückgekommen ist, machte klar, dass die neue Administration hier eine andere Vorgangsweise hat. Ein von Präsident Medwedev verfasster Brief wird derzeit gerade hinsichtlich einer Antwort von Obama vorbereitet, und es ist zu hoffen, dass es jetzt zu einer neuen Position kommt, die pragmatischer und zielgerichteter ist und die wirklich hilft, entsprechende Vereinbarungen zu treffen – nicht zuletzt hinsichtlich des Irans sowie der Sicherheitskonzeption für Europa insgesamt. Zumindest sollten einmal ernsthafte, konkrete Gespräche begonnen werden.
Die Vertreter des Außenministeriums waren durchaus sehr offen, und man hat bereits gemerkt, dass sie sich in eine andere Position hineindenken – selbst, wenn sie früher der Bush-Administration und ihren Ideologien gedient haben. Viele von ihnen schienen mir froh zu sein, jetzt weniger ideologisch und mehr pragmatisch arbeiten zu können. Das gleiche versuchen wir, auch in der EU zu tun. Viele von ihnen sind weniger „amerikanisch“ als so manche osteuropäische, insbesondere britische Abgeordnete, die meinen, sie müssten blindlings jeder konservativen amerikanischen und antirussischen Position folgen. Diese werden jetzt manche Schwierigkeiten ergeben, wenn die Amerikaner pragmatischer mit Russland umgehen und die „Russophobie“, die bei einigen zum Ausdruck kommt, dann im Widerspruch zu ihrer USA-Liebe und -Anhängerschaft steht. Das heißt nicht, dass wir in den USA plädiert haben, in allem die russische Position zu verstehen und zu befolgen. Nein, ganz im Gegenteil: Die Frage der demokratischen Entwicklung in Russland ist ein absolut wichtigerAnliegen.

Washington, 24.2.2009