Der Kroatien-Bericht ist abgestimmt

Im Grenzstreit zwischen Kroatien und Slowenien brauchen wir zuerst eine Klärung der rechtlichen Frage und in der Folge sollte das internationale Recht als Basis für weitere politische Lösungen herangezogen werden.
Die Wirtschaftskrise, ihre Folgen für die Beschäftigung und was Europa dagegen tun kann sind Fragen, die uns alle in diesen Tagen in Atem halten. Einerseits gibt es eine gewisse Ratlosigkeit, andererseits müssen wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um einen weiteren Absturz der Wirtschaft und eine daraus resultierende Massenarbeitslosigkeit zu verhindern.

Berichte und Resolutionen

Mit diesen Fragen beschäftigen sich auch eine Reihe von Berichten und Resolutionen aus verschiedenen Ausschüssen des Europäischen Parlaments, die wir diese Woche in Straßburg abgestimmt haben. Bis zuletzt war nicht klar, wie sich die Konservativen zu verschiedenen Forderungen der Sozialdemokratie verhalten würden. In letzter Minute, unmittelbar vor der Abstimmung, korrigierte ein Sprecher der EVP noch die bereits verteilte Abstimmungsliste in einigen Punkten. So fanden die entsprechenden Anträge, insbesondere der Bericht der sozialdemokratischen Berichterstatterin Elisa Ferreira, eine breite Mehrheit.
Für mich selbst standen in dieser Woche vor allem drei Erweiterungsberichte auf der Tagesordnung. Einerseits mein eigener Bericht zu Kroatien, andererseits der Mazedonienbericht und der Bericht zur Türkei. Was den letzteren betrifft, so habe ich meine Anträge bereits im Ausschuss untergebracht und wollte ihn daher so beschlossen haben, wie er war. Und so kam es auch. Es ist ein Bericht über Tatsachen und enthält Bewertungen über den Fortschritt bzw. die Mängel in den Reformbemühungen der Türkei. Angesichts des langsamen Fortschritts bei den Reformen in der Türkei und des Widerstands gegen einen Türkeibeitritt, ja einer Skepsis gegenüber Beitritten generell, sollten wir möglichst mit der Türkei selbst über Alternativen bzw. Zwischenlösungen bezüglich der Beitrittsverhandlungen suchen. Ich habe dies in der Vergangenheit immer wieder betont: wenn es zu keiner entscheidenden Annäherung im Sinne eines Beitritts kommt, muss man nach anderen Lösungen suchen.

Streit zwischen Mazedoniern und Griechen

Mit Mazedonien hingegen haben die Beitrittsverhandlungen noch gar nicht begonnen. Es gibt eine Reihe interner Probleme und auch einen Streit mit dem Nachbarn Griechenland. Der Name Mazedonien wird von den Griechen für die eigene nördliche Provinz beansprucht. Für Griechenland handelt es sich um FYROM, also die Frühere Jugoslawische Republik Mazedonien. Irgendeinen Beinamen muss Mazedonien besitzen, um von Griechenland voll respektiert zu werden, z.B. Nord-Mazedonien, Ober-Mazedonien oder Mazedonien (Skopje). Die Mazedonier sehen das aber als Vernichtung ihrer Identität an und weigern sich, die bisherigen Kompromissangebote des UNO-Beauftragten Nitze zu akzeptieren. Was aber die Griechen besonders ärgert, ist die Tatsache, dass Mazedonien nicht nur den Flughafen, sondern nun auch eine Autobahn, die angeblich nicht zuletzt mit griechischen Krediten finanziert wurde, nach Alexander den Grossen benannt hat, den die Griechen ebenfalls für sich in Anspruch nehmen.
Ich versuchte, durch einige Anträge die Kritik an den Griechen zu mildern, die ich insbesondere nach Gesprächen mit der – konservativen – Regierung einbrachte. Denn letztendlich sind beide schuld an dieser fruchtlosen Auseinandersetzung. Dabei versuchten mich die konservativen Abgeordneten der Griechen auszutricksen. Daher ließ ich die Anträge wieder fallen, nachdem ich die Schattenberichterstatterin der EVP überzeugt habe, einen Abänderungsantrag in meinem Sinne zu stellen. Aber man sieht daran, dass wir in Europa manchmal mit der notwendeigen Gemeinsamkeit und der gegenseitigen Toleranz noch nicht weit gekommen sind.

Offene Grenzprobleme zwischen Kroatien und Slowenien

Für mich war aber der Kroatienbericht der entscheidende. Die wesentlichen Bestandteile meines Berichts waren inzwischen unbestritten. Das Lob für die Fortschritte verband ich mit der Aufforderung, die Reformen im Justizsektor intensiv fortzusetzen und vor allem die Kooperation mit dem Strafgerichtshof in Den Haag hinsichtlich der Verbrechen während der Jugoslawienkriege zu vervollständigen. Denn es gibt einige Mitgliedsländer, wie z. B. die Niederlande und Belgien, für die das besonders wichtig ist.
Für ein Mitgliedsland ist allerdings eine ganz andere Frage ausschlaggebend, und zwar so sehr, dass es derzeit die Verhandlungen über mehrere Kapitel blockiert. Dabei handelt sich um den Nachbarn Slowenien, der die offenen Grenzprobleme insbesondere in der Bucht von Piran und die Frage eines direkten Zugangs zum offenen Meer gegenüber Kroatien geltend macht. Schon nach meinem letzten Besuch in Kroatien und nach Gesprächen mit Premierminister Sanader und getrennt davon mit dem slowenischen Außenminister in Straßburg in der letzten Sitzungswoche machte ich den Vorschlag einer „zweigleisigen“ Suche nach einer Lösung. Es sollte zuerst eine Klärung der rechtlichen Frage erfolgen und sodann das internationale Recht als Basis für weitere politische Lösungen gefunden werden.

„Zweigleisige“ Lösung

Das versuchte ich auch in Form einer kurzen Formulierung in meinen Bericht aufzunehmen. Allerdings: Welche Formulierung ich auch wählte, eine Seite war unzufrieden. Natürlich lobbyierte mich der kroatische Botschafter, ebenso wie der slowenische. Ich besprach mich mit den Schattenberichterstattern der anderen Fraktionen und auch mit den verschiedenen slowenischen KollegInnen.
Zwei Minuten vor der Abstimmung, als ich schon im Plenum des Parlament war, rief mich noch der slowenische Außenminister an und meinte, angesichts der verschiedenen Vorschläge sei meine ursprüngliche Idee mit einem Hinweis auf die EU-Vermittlung auf Basis des internationalen Rechts noch das Beste. Da auch die Kroaten mit dieser Formulierung einverstanden waren, schlug ich das vor und so wurde es auch beschlossen.

Die Brücke von Mostar

Nach diesen Abstimmungen fliege ich zurück nach Wien, wo mich die Balkanregion erneut „einfängt“. Ich soll nämlich eine Ausstellung über ein Projekt für die bekannte Brücke von Mostar miteröffnen. Diese Brücke, die den muslimischen und den kroatischen Teil der Stadt über den Fluss Neretva hinweg verbindet und von den Osmanen gebaut wurde, ist ja während des bosnischen Krieges von den „Kroaten“ zerstört worden. Sie ist mit der Hilfe der Türkei vor wenigen Jahren wieder aufgebaut worden. Und auch schon vor einigen Jahren hat ein österreichischer Architekt und Künstler ein Projekt entwickelt, das temporär die Brücke „überbauen“ soll. Er sieht in dieser Überbauung ein Denkmal für den Frieden und ein Mahnmal gegen den Krieg.
Ich weiß nicht, ob dieses Projekt jemals verwirklicht wird. Aber ich finde es faszinierend, dass sich jemand mit so viel Engagement für ein solches Friedensprojekt einsetzt und damit auch andere für die offenen Probleme der Stadt Mostar, Bosnien Herzegowina und des Balkans interessiert. Und das in Zeiten, in denen jeder glaubt, nur auf sich selbst schauen zu müssen.

Straßburg, 12.3.3009