Die Kommission ist gewählt

Die große Mehrheit des Europäischen Parlaments hat der neuen EU-Kommission die Zustimmung gegeben.
Nun hat es die neue Kommission geschafft: Die große Mehrheit des Parlaments hat ihr die Zustimmung gegeben – zumindest dafür, dass sie mit der Arbeit beginnen kann. 449 Abgeordnete stimmten für die Kommission, 149 dagegen und 82 enthielten sich der Stimme.

Veto-Recht

Vor der Abstimmung über die Kommission wurde eine Resolution abgestimmt, die den Kommissionspräsidenten verpflichtet – über die bestehenden Regeln hinaus – auf die Einwände des Parlaments hinsichtlich eventueller personeller Veränderungen einzugehen. Ich habe diese Resolution mit je einem Kollegen der Europäischen Volkspartei und der Liberalen verhandelt und überdies mit dem Kommissionspräsidenten gesprochen, um auch seine Zustimmung im Vorfeld zu bekommen. Diese Resolution wurde mit 478 Stimmen angenommen – bei 84 Gegenstimmen und 98 Enthaltungen. Damit war die Grundlage für die Zustimmung der EU-Kommission geschaffen.

Probe bestanden

Den Abstimmungen waren erneute Hearings und intensive Diskussionen in den Fraktionen und im Plenum des Parlaments vorausgegangen. Einer Anhörung in den zuständigen Ausschüssen mussten sich die neuernannten Kommissare Frattini aus Italien und Piebalgs aus Lettland unterziehen. Das gleiche galt auch für László Kovács aus Ungarn, der ja für ein neues Ressort – Steuern und Zölle – vorgesehen war. Sowohl Frattinis als auch Piebalgs´ Präsentation fielen weitaus besser aus als die der beiden zurückgezogenen Kandidaten Buttiglione und Udre.
Auch Kovács machte eine wesentlich bessere Figur als bei seinem ersten Auftritt, auf den er schlecht vorbereitet gewesen ist. Trotzdem haben einige Abgeordnete der Rechten, vor allem der mir schon bei einer Tagung in Wien aufgefallene Ungar Szájer, versuchte, die kommunistische Vergangenheit von László Kovács als ein Gegenargument ins Spiel zu bringen. Erfreulicherweise ist ihnen das nicht gelungen und ihre polemischen Angriffe erzielten eher das Gegenteil.

Kontroversielle Diskussion

Was nun die Diskussion in der sozialdemokratischen Fraktion betrifft, so wurde diese durchaus kontroversiell geführt. Die Einigkeit vom letzten Mal, als es zu einer einheitlichen Ablehnung des Vorschlags von Barroso kam, konnte diesmal nicht hergestellt werden. Das hat vor allem jene enttäuscht, die sich beim letzten Mal im Interesse der Solidarität der Ablehnung angeschlossen haben – trotz Druck von zu Hause und seitens der „eigenen“ Kommissare.
Viele von uns – mich eingeschlossen – haben gemeint, wir sollten uns doch nicht unseres „Sieges“ berauben, indem wir trotz unserer Erfolge hinsichtlich der personellen Zusammensetzung der Kommission weiterhin gegen die Kommission stimmen. Und überdies ist die Zustimmung zur Kommission, in der sich ja immerhin auch einige SozialdemokratInnen finden, keine generelle Zustimmung zu den Haupttendenzen der Kommission und zu den einzelnen Vorschlägen.

Verantwortung zeigen

Jede Initiative der Kommission und insbesondere jeder Gesetzesvorschlag muss einzeln und gesondert beurteilt werden. Es wäre geradezu negativ, würde die Kommission sich nur auf die Zustimmung der rechten Gruppierungen im EU-Parlament stützen. Als zweitstärkste Fraktion haben wir entsprechende Verantwortung zu zeigen, auch und gerade weil wir in der EU insgesamt nicht ausreichend Vertrauen bekommen haben, um die stärkste Fraktion zu werden.
Immerhin drei Viertel folgten – nicht immer überzeugt – dieser Logik. Aber nun beginnt die wirkliche Arbeit, denn es geht um die Formulierung und Beurteilung des Arbeitsprogramms der EU-Kommission und um die Mitentscheidung im Rahmen der Gesetzgebung!
Straßburg, 18.11.2004