Die Macht der Worte

Es ist verblüffend, welche Wirkung zwei Zeilen in einer parlamentarischen Beratung nach sich ziehen können.
Die vergangene Straßburgwoche war von Gesprächen über die Entwicklung der Balkanregion geprägt. Einerseits behandelten und verabschiedeten wir einen Bericht der Kollegin Doris Pack zur Entwicklung in Bosnien Herzegowina. Und andererseits besuchten mich ein Berater des Ministerpräsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik und eine Beraterin des Ministerpräsidenten von Montenegro, Zeljko Sturanović. Es ging in beiden Fällen um die Frage der Stabilität und um die Vorbereitung der nächsten Runde der Vorgespräche vor möglichen Verhandlungen zum EU-Beitritt. Angesichts der Situation im Kosovo liegt es auf der Hand, dass gerade diese Region einen neuen Impuls bekommen muss.

Kosovo-Resolution

Am Montagabend, zu Beginn der Plenarwoche, ist eine Resolution zum Kosovo Gegenstand einer Abstimmung im Außenpolitischen Ausschuss gewesen. Hier konnte unsere Fraktion einen unerwarteten Erfolg erzielen. Insbesondere mein Kollege Jan Marinus Wiersma und ich selbst hatten die wesentlichen Abänderungsanträge gestellt und haben so die Linie der Fraktion bestimmt. Sämtliche Anträge auf Unabhängigkeit wurden abgelehnt. Ich habe an anderer Stelle bereits darauf verwiesen: Jetzt kommt es darauf an, den Prozess so zu gestalten, dass Serbien auf dem Weg der Neugestaltung nicht nur der Region, sondern auch des Verhältnisses des Kosovo zu Serbien, möglichst mitgenommen werden kann.
Es ist sinnlos und kontraproduktiv, Illusionen zu wecken, der Kosovo könne auf Dauer bei Serbien bleiben. Bevor wir über die weiteren Schritte einer Unabhängigkeit des Kosovos im Detail sprechen können, ist zunächst die Bildung einer vernünftigen, pro-europäischen Regierung notwendig. Das Europäische Parlament sollte als eine europäische Institution in dieser Angelegenheit das Gleichgewicht bewahren.

Slowenisch-kroatische Interventionen

Für mich selbst stand auch in dieser Woche einmal mehr Kroatien im Mittelpunkt. Ich hatte nach meinem Gespräch mit Ministerpräsident Sanader in Zagreb einen Abänderungsantrag zu meinem ursprünglichen Entwurf eingebracht. Sollte es zu keiner Lösung der Grenzstreitigkeiten zwischen Slowenien und Kroatien kommen, müsste aus meiner Sicht ein internationales Schiedsgericht eingeschaltet werden. Da eine solche Überlegung in Slowenien bis zum jetzigen Zeitpunkt ein Tabu gewesen ist, hat mein Vorschlag – wie ich nachträglich erfahren habe – für große Furore in den politischen Kreisen Sloweniens gesorgt. Der slowenische Außenminister Rupel, den ich seit vielen Jahren kenne, hat schließlich um einen Gesprächstermin angesucht, für den er extra von Genf nach Straßburg geflogen ist. Rupel hat mir dabei vorgeschlagen, meinen doch starken und eindeutigen Vorschlag etwas abzumildern.
Wenige Stunden zuvor hatte mich die kroatische Außenministerin – sei es aufgrund der Ankündigung des Besuches ihres slowenischen Amtskollegen oder nicht – im Europäischen Parlament in Straßburg besucht. Sie hat mir für meine verschiedenen Abänderungsanträge gedankt – allen voran für jenen Antrag, der zum Ausdruck bringt, dass es noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2009 zu einem Abschluss der Verhandlungen und einer Zustimmung des Europäischen Parlaments kommen soll, damit in der Folge der Ratifizierungsprozess stattfinden kann.

Vermitteln

Es ist schon spannend mitzuverfolgen, welche Wirkung zwei Zeilen in einer parlamentarischen Beratung nach sich ziehen können und wie sie letztendlich dazu führen, dass der slowenische Außenminister es für nötig erachtet, mich persönlich aufzusuchen, um mit mir mögliche Kompromisse zu diskutieren.
Ich werde meine Aussagen und Forderungen im Kern beibehalten, aber trotzdem versuchen, eine vermittelnde Position einzunehmen und dazu beizutragen, dass es zu einer Lösung der bestehenden Grenzprobleme kommt. Nur so können die an und für sich lösbaren, aber insbesondere von nationalistischen Kräften auf beiden Seiten aufgebauschten Schwierigkeiten beseitigt werden.

Straßburg, 15.3.2007