USA II: Die Orientierung an Asien

normal_Cable_Car,_San_FranciscoMit unserer Reise an die Westküste der USA kommen wir den neuen Mächten in Asien, vor allem China, näher. In Kalifornien gibt es ja eine relativ starke und erfolgreiche Einwanderung aus Asien, und insgesamt ist man hier stärker an diesem Kontinent orientiert als im „europäischen“ Osten der USA.

China hat die Nase vorn

Aber inzwischen ist die Beschäftigung mit den neuen aufstrebenden Mächten, insbesondere mit China, viel stärker als die mit Europa. Das liegt sowohl an den objektiv erstarkenden und global eine immer größere Rolle spielenden Ländern wie China, Indien, Brasilien etc. Sicher spielt aber auch die Schwäche Europas, das in seinem Einigungsprozess noch immer sehr zögerlich und unvollkommen ist, eine Rolle.

Aber für uns alle, ob Amerikaner oder Europäer, gilt es, die neuen Herausforderungen zu meistern. Dabei sind wir in Europa in einer etwas schlechteren Lage. So haben wir eine Überalterung unserer Bevölkerung zu verzeichnen und einen besonders starken Widerstand gegen Veränderungen. Zwar hat auch China einen besonders krassen Überalterungsprozess vor sich, aber anderseits eine hohe Anpassungsfähigkeit und Dynamik. Indien hingegen hat ja nie eine Einkindpolitik betrieben und daher auch eine andere Bevölkerungsdynamik. Niemand vermag genau zu sagen, was wirtschaftlich von größerem Nutzen ist, die Einbremsung des Bevölkerungswachstums in China oder die Bevölkerungszunahme in Indien. Jedenfalls haben beide ihre demographischen und ethnischen Probleme. Aber momentan sind jedenfalls beide aufstrebende politische und wirtschaftliche Mächte. Dabei hat zur Zeit China die Nase vorn, vor allem auch was das langfristige strategische Denken und Handeln betrifft.

Rohstoffversorgung

Dazu gehört vor allem auch die Vorsorge für die Rohstoffversorgung. China hat in den letzten Jahren massiv auf diesem Gebiet investiert. Und was die sogenannten „seltenen Erden“ betrifft, so hat China selbst reichlich davon. Da besteht eher die Gefahr, dass es diesen Vorteil ausnützt, um andere unter Druck zu setzen. Das dürfte jüngst nach einem Zwischenfall mit Japan der Fall gewesen sein, als China bestimmte Exporte solcher Rohstoffe nach Japan kurzfristig stoppte.

Dieses Thema schnitt ich auch bei dem kürzlich stattgefundenen Hearing im Außenpolitischen Ausschuss an, als wir die zukünftigen EU-Botschafter in China und Japan befragt haben. Mit Markus Ederer, dem neuen Vertreter der EU in Peking, besprach ich dies auch schon bei einem Frühstück vor der Anhörung. Wir stimmten überein, dass wir im Interesse unserer Industrie und damit unserer Arbeitsplätze auch für Europa eine Strategie hinsichtlich der Rohstoffversorgung brauchen. Denn so selten sind diese oben genannten Rohstoffe nicht, man muss nur sicherstellen, dass wir Zugang zu ihnen haben und uns nicht vom guten Willen weniger Staaten abhängig machen. Japan hat da inzwischen schon einiges getan und sich vor allem in Australien engagiert. Am Rande bemerkt bin ich sehr froh, in China und in Japan (mit dem Österreicher Dietmar Schweisgut) zwei hervorragende Botschafter zu haben, die zu einer effektiven und langfristigen EU-Außenpolitik wesentlich beitragen können.

Zunehmenden Nationalismus

Insgesamt ist China natürlich das heute am meisten diskutierte aufstrebende Land. Gerätselt wird vor allem über seine politischen und militärischen Absichten. Vor allem bemerken wir einen zunehmenden Nationalismus, insbesondere in der jüngeren Generation. Führt dieser zu einer expansionistischen Politik in der Nachbarschaft? Dient das Engagement beim Ausbau von Häfen in der weiteren Nachbarschaft nur der sicheren Versorgung mit Energie und anderen Rohstoffen oder dient es auch militärischen Zwecken? Das fragt man sich – vor allem in Indien, aber auch in den USA.

Nun, als Europäer sind wir da etwas gelassener, da wir keine geopolitischen Ziele verfolgen. Aber natürlich wollen wir friedliche Verhältnisse auch in Asien und keine neuen Konflikte. Vor allem haben wir ein großes Interesse daran, dass Nord-Korea mit seinem Nuklear Programm aufhört oder zumindest in Schach gehalten wird. Und dafür braucht es eine gute Zusammenarbeit zwischen China und den USA.

Menschenrechts- und Demokratieziele nicht vergessen

Allgemein wird angenommen, dass China an stabilen Verhältnissen interessiert ist und keine großen Risiken eingehen möchte. Schon das Interesse der Kommunistischen Partei am Machterhalt spricht eher für eine Orientierung an der bestehenden globalen Ordnung. Und die ist auch nützlich für die gedeihliche Wirtschaftsentwicklung. Außerdem würde eine zu starke Herausforderung der Nachbarn die amerikanische Präsenz in der Region mit sich bringen, und das will China keineswegs.

Für Europa bedeutet dies, dass wir unsere Beziehungen mit allen Ländern der Region ausbauen und eine vor allem wirtschaftliche Zusammenarbeit suchen sollen, die in beiderseitigem Interesse liegt. Dabei sollten wir auf unsere Menschenrechts- und Demokratieziele nicht vergessen und verzichten. Diese sind gegenüber China sicher besonders stark, aber wir wollen auch, dass Japan die Todesstrafe abschafft. Diesbezüglich geht es um beharrliche Diplomatie, und diese steht nicht im Widerspruch zur wirtschaftlich und wo möglich auch politischen Zusammenarbeit.

San Francisco, 2.12.2010