USA III: In Zeiten von WikiLeaks

Quelle: http://www.yoice.net

Quelle: http://www.yoice.net

Unsere Reise in die USA findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem die Veröffentlichung über amerikanische diplomatische Dokumente durch einige Medien für große Unruhe gesorgt hat. Diese Veröffentlichungen gehen auf WikiLeaks zurück, die auf unterschiedlichem Wege zu diesen Dokumenten gekommen sind, aber jedenfalls auch durch eine illegale Weitergabe der entsprechenden Aufzeichnungen. Die Informationen, die die Öffentlichkeit durch die Aktivitäten von WikiLeaks erfahren, sind nicht gerade berauschend. Man fragt sich, ob die amerikanische Diplomatie – und wahrscheinlich noch nur die –, nichts anderes zu tun hat, als Informationen weiterzugeben, die man aus jeder beliebigen Zeitung entnehmen kann. Anderseits gibt es Informationen, die über manche Tätigkeiten ein neues Licht breiten. Das gilt vor allem für weniger transparente Wirtschaftsbeziehungen.

Was kann noch geheim bleiben?

Die grundsätzliche Frage, die sich stellt, ist die, was heute überhaupt noch geheim bleiben kann. Und das weniger durch die illegale Weitergabe von Informationen und vor allem von Daten. Es geht in erster Linie um illegale Zugriffe von Hackern, die sich in fremde Systeme einschleichen. Zu den Hackern zählen inzwischen wahrscheinlich auch Staaten und deren (Geheim)Dienste. Ich denke dabei an die Infiltrierung und zumindest teilweise erfolgreiche Störung des iranischen Atomprogramms. Man kann angesichts der Gefährlichkeit des iranischen Vorhabens eine solche Störaktion für durchaus gerechtfertigt sehen, ob jetzt die Amerikaner oder die Israelis dahinter stecken. Aber wo ist die Grenze? Wer entscheidet, was gerechtfertigt ist und was nicht? Ist die Aufdeckung verbrecherischer Aktivitäten höherwertig als der illegale Eingriff in die Cyberwelt? Ist dabei eine „Selbstjustiz“ akzeptabel?

Wir haben es jedenfalls mit einer neuen Welt zu tun. Staaten haben vermehrt die Möglichkeit, in die Privatsphäre einzugreifen, auch in solche von Unternehmungen. Aber inzwischen haben auch Private die Möglichkeit, Staaten in Verwirrung und Unruhe zu bringen. Und WikiLeaks hat das gründlich betan. Wenn ich mir die verschiedenen Medienberichte ansehe, dann gibt es über Sinn und Unsinn der Aktivitäten von WikiLeaks sehr unterschiedliche Meinungen. Jedenfalls werden solche Aktivitäten nicht so bald verschwinden und moralische Aufregung seitens Staaten, die selbst zu Eingriffen in die Cyberwelt neigen, sind nicht angebracht.

Netzneutralität

Was derzeit in den USA auch diskutiert wird, ist die Gestaltung der Netzneutralität, also die Frage, inwieweit Internetunternehmungen in den – legalen – Content, also den Inhalt eingreifen dürfen. Wir haben in Europa auch lange darüber diskutiert und im EU-Parlament strenge Regelungen beschlossen. In den USA ist die Diskussion noch lange nicht abgeschlossen. Die rechten Konservativen haben sich dieser Tage gegen staatliche Regelungen und für die Freiheit der Unternehmer ausgesprochen. Das scheint mir grotesk zu sein, wenn die Freiheit herangezogen wird, um Eingriffe in die Übertragung legaler Inhalte zu ermöglichen. Aber das sind eben Argumente der Rechten. Sarkozy wollte auch mehr Eingriffsmöglichkeiten als wir ihm in d europäischen Gesetzgebung zugestanden haben…

San Francisco, 3.12.2010