Die Verhandlungen sind eröffnet

Ab sofort kommt es darauf an, dass wir mit beiden Ländern in aller Ruhe verhandeln, und zwar in dem Bewusstsein, dass der EU-Beitritts Kroatiens ein mittelfristiges Projekt und jener der Türkei ein sehr langfristiges Projekt ist.
Am vergangenen Wochenende haben hektische Sitzungen zu den Eröffnungen von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und Kroatien stattgefunden. Die österreichische Regierung, vertreten durch Außenministerin Plassnik, hat dabei eine für mich unverständliche und inakzeptable Verzögerungstaktik an den Tag gelegt, ohne wirklich etwas zu erreichen.

Inakzeptable Verzögerungstaktik

Wir haben unseren Ruf nicht nur in der Türkei, sondern auch in Europa drastisch verschlechtert, indem wir, ohne genau zu sagen, was wir wollen, der Eröffnung von Verhandlungen immer wieder Stolpersteine in den Weg gelegt haben. Schlussendlich haben wir dann doch, weil ein Satz von hinten nach vorne geschoben wurde, zugestimmt. Dieses Verhalten war wahrlich keine Meisterleistung der Diplomatie, sondern ganz im Gegenteil ein großes Versagen.
Aus meiner Sicht bestand außerdem kein inhaltlicher Zusammenhang mit Kroatien. Die Eröffnung der Verhandlungen mit Kroatien hing nicht von Österreich ab, sondern davon, ob Carla Del Ponte eine positive Beurteilung abgeben würde – was der Fall war. Manche waren sogar überrascht, wie eindeutig das der Fall war.

In Ruhe verhandeln

Das Ende dieses Außenministertreffens war schließlich positiv. Die Verhandlungen wurden sowohl mit der Türkei als auch mit Kroatien eröffnet. Das Schauspiel, das geboten wurde – insbesondere durch die lange Verzögerungstaktik der österreichischen Regierung – war jedoch keineswegs positiv.
Ab sofort kommt es darauf an, dass wir mit beiden Ländern in aller Ruhe verhandeln, und zwar in dem Bewusstsein, dass der EU-Beitritts Kroatiens ein mittelfristiges Projekt und jener der Türkei ein sehr langfristiges Projekt ist. Wir müssen deutlich darauf hinweisen, dass es sich bei Kroatien um eine Frage der Zeit handelt, bei der Türkei es aber vor allem um das „Ob“ oder „Ob nicht“ und erst in zweiter Linie um das „Wann“ geht. Ich gehe ohnehin davon aus, dass sich diese Frage erst in den nächsten zehn bis 15 Jahren stellen wird.

Notwendige Vorbereitungsmaßnahmen setzen

Im Vordergrund steht nun der Versuch, mit der Türkei als einem der islamischen Länder die Erprobung der Kombination Demokratie und Islam gemeinsam zu diskutieren und in die Praxis umzusetzen.
Bei Kroatien geht es – und das habe ich im außenpolitischen Ausschuss des EU-Parlaments auch gegenüber EU-Erweiterungskommissar Oli Rehn formuliert – darum, nicht nur in Ruhe zu verhandeln, sondern vor allem auch die notwendigen Reformen im Land selbst durchzuführen.
Es ist für mich nicht sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt von Daten zu sprechen, die kaum einzuhalten sind. Stattdessen müssen wir – die EU und Kroatien – mit aller Sorgfalt die entsprechenden Vorbereitungsmaßnahmen setzen.

Brüssel, 4.10.2005