Die Weichen für den Kosovo sind gestellt

Der Kosovo wird unabhängig werden, und Serbien braucht, wenn es vorankommen will, die EU.
Am 22. Jänner haben uns die maltesischen SozialdemokratInnen von der Labour Party eingeladen, eine Vorstandssitzung auf Malta abzuhalten. Diese Sitzung diente einer weitergehenden Reflexion unserer bisherigen Arbeit und der zukünftigen Aufgaben im Rahmen des Europäischen Parlaments.

Maltesische Vielfalt

Ich selbst musste aufgrund verschiedener Sitzungen in Brüssel relativ frühzeitig wieder abreisen und nahm daher die Gelegenheit wahr, bereits Sonntagabend den Direktflieger von Wien nach Malta zu nehmen. Mich hat Malta sehr überrascht. Es ist eine Insel, die eine große kulturelle Vielfalt ausstrahlt. Diese Vielfalt ist zum Teil auch das Ergebnis von kriegerischen Auseinandersetzungen gewesen. Zum einen hat der Orden der Malteser-Ritter, der von verschiedenen Ländern gespeist worden ist – von Frankreich, Italien, Spanien, Großbritannien, etc. – eine Vielfältigkeit an Kulturen und Sprachen nach Malta, insbesondere in die Hauptstadt Valletta, aber auch in andere Städte wie Medina gebracht. Aber es gab auch den entsprechenden osmanischen und arabischen Einfluss, der sich heute sowohl in städtebaulichen Strukturen wie vor allem sprachlich widerspiegelt. Das Maltesische ist – jedenfalls aus unserer Sicht – eine eigenartige, aber nicht uninteressante Mischung aus romanischen Sprachen, in erster Linie dem Italienischen, und dem Arabischen.
Malta ist aus meiner Sicht ein gutes Beispiel dafür, dass sich verschiedene Kulturen gegenseitig befruchten, beeinflussen und miteinander vermischen können und dadurch eine eigene Identität – sowohl was das städtebauliche wie das sprachliche und zweifellos auch die grundsätzliche Einstellung betrifft – schaffen können.

Schwerpunkt Balkan

Leider musste ich Malta, wie schon erwähnt, bald wieder verlassen, um wichtige Termine in Brüssel wahrzunehmen. Das betraf insbesondere eine Sondersitzung des Europäischen Parlaments zu den Fragen Energie und Klimaschutz, bei der ich unsere Fraktionspositionen vertreten musste. Darüber hinaus gab es aber auch zwei Treffen, die für mein Engagement am Balkan und zuletzt vor allem in der Kosovofrage sehr bedeutend waren.
Einerseits trafen wir einen kleinen Kreis den Ratspräsidenten, Sloweniens Außenminister Rupel, mit dem wir die gegenwärtige Situation im Kosovo aus Sicht der EU diskutiert haben. Rupel kennt die Sensibilitäten der Region und versucht entsprechend darauf zu achten, dass eine gemeinsame Position der EU in der Frage der Anerkennung der Unabhängigkeit und der Selbstständigkeit des Kosovo gefunden wird. Das ist alles andere als leicht, sind doch einige Länder gegen eine grundsätzliche Abspaltung, weil sie fürchten, sie könnten selbst betroffen sein. Das gilt für Spanien hinsichtlich des Baskenlands, aber auch für einige Länder mit ungarischer Minderheit wie Rumänien und die Slowakei und natürlich für Zypern hinsichtlich des türkischen Teils dieser Insel.

Sonderfall Kosovo

Dennoch sieht eine überwiegende Mehrheit, so wie ich selbst, kaum eine Chance, die albanisch sprechende Mehrheit des Kosovos in Serbien wieder einzugliedern. Die Dinge sind zu weit fortgeschritten. Man hätte vielleicht noch vor einigen Jahren eine andere Lösung finden können. Das hätte allerdings vorausgesetzt, dass Serbien selbst eine generell andere Position und von vornherein eine wesentlich positivere Einstellung zu einer weitgehenden Autonomie eingenommen hätte – verbunden mit einer Entschuldigung für all das, was den Kosovoalbanern unter Milosevic angetan worden ist.
Dazu war Serbien aber weder bereit noch fähig, vielleicht, weil diese Problematik eben nicht nur eine Angelegenheit von Milosevic gewesen ist, sondern weil sich bereits über viele Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte bestimmte Animositäten zwischen der serbischen und der albanischen Minderheit in dieser Region entwickelt haben.

Entscheidende Wahlen

Das zweite Treffen hat sich ebenfalls und noch konkreter mit dem Kosovo beschäftigt. Der neue Premierminister Hashim Thaci war nach Brüssel gekommen, um Gespräche mit der Kommission zu führen. Ich habe diese Gelegenheit genützt und ihn in meiner Funktion als Vorsitzender der Arbeitsgruppe Balkan des außenpolitischen Ausschusses zu einem Gespräch eingeladen. Thaci hat sich, wie schon in der Vergangenheit, äußerst moderat verhalten. Er weiß, dass die Unabhängigkeit kommt und dass es keinen Sinn hat, ungeduldig zu sein.
Insbesondere gilt es jetzt, die Wahlen in Serbien abzuwarten. Der Wahlausgang in Serbien ist mehr als ungewiss. Der rechtradikale Tomislav Nikolic liegt derzeit vor dem amtierenden Präsidenten Boris Tadic. Dieser befindet sich in einer schwierigen Situation: Inwieweit soll er manchen Strömungen nachgeben, um auch Stimmen aus dem moderaten nationalistischen Lager zu bekommen? Oder sollte er noch deutlicher zum Ausdruck bringen, dass er dazu steht, aus der Sicht Serbiens den Kosovo zu behalten, ohne dabei die europäische Perspektive aus den Augen zu verlieren?

Wenig hilfreich

Zuletzt war Tadic mit Ministerpräsident Kostunica in Moskau. Dort dürfte er auch den russischen Wünschen hinsichtlich Energie nachgegeben haben, wahrscheinlich in einem Ausmaß, das nicht ganz den ökonomischen Realitäten entspricht. Er scheint, er hat den Energiesektor an Russland, salopp formuliert, verscherbelt. Aus meiner Sicht hätte Tadic von vornherein eine stärkere Haltung gegenüber Nikolic und Kostunica einnehmen müssen. Diese russische Karte auch nur ein bisschen mitzuspielen, bringt nicht sehr viel. Der Kosovo wird unabhängig werden, und Serbien braucht, wenn es vorankommen will, die EU. Russland wird weder ökonomisch noch politisch eine große Hilfe sein können.
Auf der anderen Seite ist auch die EU nicht immer ganz hilfreich. Das zeigt das jüngste Beispiel der Niederlande, die sich weigern, das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Serbien zu unterzeichnen. Ich bedaure das zutiefst. Das ist eine Haltung, die gerade in der jetzigen Situation überhaupt nicht hilfreich ist. Wenn nun schließlich Nikolic gewählt wird, kann dies erst recht als Mitschuld der EU in die Schuhe geschoben werden. Vor allem aber ist es Serbien gegenüber unfair. Mit Kroatien haben wir das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen unterzeichnet, und zwar ohne dessen voller Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichtshof.

Es geht um den gesamten Balkan

Viele haben den Eindruck, dass die Niederlande aufgrund ihrer schlechten Erfahrung, vielleicht auch aufgrund ihres fehlerhaften oder zumindest problematischen Verhaltens bei dem Massaker der Serben in Srebrenica jetzt das demokratische Serbien dafür bestrafen wollen und sich eine extreme Position aneignen, die das frühere Fehlverhalten vergessen machen soll. Ich halte das nicht für besonders sinnvoll. Es ist leicht, den Holländern ihr damaliges Verhalten vorzuwerfen – das will ich auch gar nicht. Die Situation war damals zweifellos äußerst schwierig. Die Situation wird allerdings nicht besser, indem man heute eine extrem problematische Haltung an den Tag legt.
Im Übrigen habe ich gerade viele Interviews mit kroatischen Medien geführt, die auf einem Interview, das die „Presse“ mit mir vor einiger Zeit gemacht hat, beruhen. In diesem Interview meinte ich, dass vor allem seitens Kroatiens viel mehr zu tun ist, um die Wahrscheinlichkeit eines Beitritts zu stabilisieren. Mir geht es nicht darum, Kroatien zu maßregeln. Mir ging und geht es darum, Kroatien zu animieren, mehr zu tun, damit eine Mitgliedschaft möglichst bald erfolgen kann. Aus meiner Sicht wäre das für die Gesamtsituation am Balkan sehr wichtig. In der kommenden Woche wird dieses Thema eine besondere Rolle im Europäischen Parlament spielen, weil ich dann dem außenpolitischen Ausschuss meinen Kroatienbericht vorlegen werde.

Brüssel, 24.1.2008