Ein historischer Tag

Zehnmal stimmte heute die überwiegende Anzahl der EuroparlametarierInnen mit Ja zum Beitritt jener zehn Kandidatenländer, die seit Jahren mit der EU um diesen Beitritt gerungen haben.
Heute hat im Europäischen Parlament eine historische Abstimmung stattgefunden. Zehnmal stimmte die überwiegende Anzahl der EuroparlametarierInnen mit Ja zum Beitritt jener zehn Kandidatenländer, die seit Jahren mit der EU um diesen Beitritt gerungen haben.

Am Ziel

Drei Länder – Estland, Lettland und Litauen – waren vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion zwangsintegriert in diesen Vielvölkerstaat und somit von Moskau abhängige Teilrepubliken. Polen, Ungarn und die aus der ehemaligen Tschechoslowakei hervorgegangenen Staaten Tschechische Republik und Slowakei konnten sich nur im Schlepptau der Sowjetunion bewegen. Hinzu kommt Slowenien, eine Teilrepublik des ehemaligen Jugoslawiens. Nur Zypern und Malta, die zwei Inselstaaten im Mittelmeer, waren durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und Jugoslawiens nicht betroffen. Allerdings ist Zypern noch immer geteilt, da der türkische Teil nicht zuletzt unter – militärischem – Einfluss der Türkei die Pläne der UN für eine Wiedervereinigung nicht akzeptiert hat. In Malta sind die großen politischen Kräfte geteilt, die maltesische Labour Party ist von ihrem Anti EU-Kurs nicht abzubringen.
Die Zustimmung des Europäischen Parlaments zum Beitritt der einzelnen Kandidatenländer war die notwendige Voraussetzung für die geplante Unterzeichnung durch die Staats- und Regierungschefs in Athen am 16.4. und dem Ratifizierungsprozess durch die nationalen Parlamente der bestehenden und der zukünftigen Beitrittsländer.

Stolpersteine

In letzter Minute galt es für das positive Votum des EU-Parlaments noch einige Hürden zu überwinden. Vor allem hat der Rat von Kopenhagen im Dezember 2002 einen finanziellen Rahmen als Obergrenze „festgelegt“, ohne vorher mit dem Europäischen Parlament als zweitem Teil der Budgetbehörde zu verhandeln bzw. auch nur zu reden.
Nur mühsam konnten die Regierungen zu Verhandlungen bewegt werden. Und erst in den Verhandlungen am Beginn dieser Woche konnte ein Kompromiss erzielt sowie eine leichte Erhöhung dieses Finanzvolumens als Kompromiss erreicht werden. Dabei waren weniger die Beträge, um die es ging, ausschlaggebend, als vielmehr der klare Rechtsbruch, den der Rat in aller Ruhe begangen hat und die Uneinsichtigkeit, mit der dieser Rechtsbruch verteidigt bzw. als selbstverständlich angesehen wurde.

Ende gut, alles gut

Ich verstehe, daß diese inakzeptable Vorgangsweise viele ParlamentarierInnen verärgert hat. Dennoch habe ich – insbesondere nach dem Kompromiss – für eine möglichst breite Zustimmung in meiner Delegation und in der sozialdemokratischen Fraktion insgesamt geworben. Denn den Völkern der Erweiterungsländer sollte ihr Wunsch nach einem Beitritt zur EU nicht verwehrt werden. Weder die Halsstarrigkeit des Rates und sein Rechtsbruch noch die geradezu sklavische Orientierung an den Amerikanern durch manche Regierungen in Osteuropa bezüglich der Irak-Frage sollten dazu dienen, den Menschen in den Kandidatenländern den Beitritt zu verwehren.
Die überraschend hohe Zustimmung des EU-Parlaments hat letztlich diese grundsätzliche und langfristige Überlegung und Haltung zum Ausdruck gebracht. Dass die Tschechische Republik um einige Stimmen weniger bekommen hat, ist auf die unflexible und uneinsichtige Haltung einiger CSU/CDU Abgeordneten in der Frage der Benes-Dekrete zurückzuführen – „unterstützt“ durch eine ebensolche Haltung der tschechischen Regierung. Manche können zur Vergangenheit noch keine aufgeklärte und aufklärende Haltung einnehmen. Aber Europa ist ja noch lange nicht fertig gebaut. Die Erweiterung ist ein Schritt, aber eben nur ein Schritt!

Strassburg, 9.4.2003