Eine beeindruckende Begegnung

Eine junge israelische Ärztin setzt sich in einer mobilen Klinik in den palästinensischen Gebieten für die Menschen ein und möchte ein anderes Israel präsentieren.
Neben unserer eigentlichen parlamentarischen Arbeit erhalten wir Europaabgeordnete unzählige Ansuchen um persönliche Gesprächstermine, insbesondere von NGOs (Nicht-Regierungs-Organisationen) und hier vor allem aus dem Menschenrechtsbereich. Wahrscheinlich kommt das bei mir besonders häufig vor, weil ich Mitglied im Ausschuss für Außenpolitik, Menschenrechte, Sicherheit und Verteidigung bin. So erhielt ich diese Woche wieder einmal eine Bitte um ein Gespräch, um mich über eine Organisation zu informieren, die eine mobile Klinik in den palästinensischen Gebieten betreibt.

Auf der Seite der Menschen

Mit den Vertretern der Internationalen Föderation für die Menschenrechte kam auch eine junge Frau zu mir, die an dieser „Klinik“ arbeitet. Sie ist Israelin, war zwei Jahre beim Militär, ist ausgebildete Ärztin und fährt mit einem gut ausgerüsteten Bus in die verschiedenen von Israel besetzten Gebiete, um dort die palästinensische Bevölkerung mit den dringendsten medizinischen Untersuchungen, Therapien und Medikamenten zu versorgen.
Sie wirkte derart jung, dass ich es nicht für möglich hielt, dass sie bereits den Militärdienst geleistet und eine medizinische Vollausbildung hinter sich gebracht hat. Und sie nimmt die Strapazen und manchmal auch Demütigungen auf sich, um die Kontrollen und Straßensperren des israelischen Militärs zu überwinden, um in die palästinensischen Gebiete zu gelangen.
Zweifellos muss sie, ebenso wie ihre KollegInnen, oft auch Misstrauen auf der palästinensischen Seite überwinden. Aber sie möchte ein anderes Israel präsentieren. Eines, das auf der Seite der palästinensischen Bevölkerung steht. Nicht auf der Seite der kleinen Gruppen der Terroristen, die oft mit den Palästinensern gleichgesetzt werden, sondern auf Seiten der Bevölkerung, die einfach leben möchte, die dringend Arbeit braucht und beispielsweise auch eine medizinische Grundversorgung, die sie heute oft nicht hat.

Aufrechter Gang

Ich bewundere diese junge Frau, die mit ihrer Tat- und Durchsetzungskraft rasch eine medizinische Karriere erzielen könnte, mit hohem Einkommen und ohne Risiko. Nein, sie wählte nicht den einfachen Weg. Sie wählte das Unverständnis ihrer Umwelt und das Risiko, nicht weil sie Abenteurerin ist, sondern weil sie es als ihre Pflicht betrachtet.
Sie kam nach Brüssel, weil die finanzielle Unterstützung für ihr Projekt seitens der EU ausgelaufen ist und sie um weitere Hilfe nachfragt. Ich hoffe, ich kann ihr und ihren KollegInnen helfen. Solange es solche Menschen gibt, solange bleibt Hoffnung, dass es auch für die schwierigsten Probleme Lösungen gibt. Für mich jedenfalls war dieses kurze Gespräch, das mich sehr betroffen gemacht hat, ein Erlebnis und wie erwähnt ein kurzer aber eindrucksvoller Lichtblick, den ich nicht missen möchte.
Brüssel, 18.6.2003