Eine Grundsatzentscheidung

Die öffentlichen Dienstleistungen – von der Wasserversorgung bis zum Personennahverkehr – sind nicht einfach Leistungen wie alle anderen, die genauso gut vollständig dem Marktprinzip unterworfen werden können.
Heute haben wir einen sehr heiklen, lange diskutierten Bericht des französischen Berichterstatters Phillipe Herzog, der der weit links stehenden kommunistischen Fraktion angehört, abgestimmt.
Es war bis zur letzten Minute nicht klar, wie diese Grundsatzstellungnahme des Europäischen Parlaments über die öffentlichen Dienstleistungen in der EU ausfallen werden. Die Konservativen und Liberalen haben die Vorlage des Kollegen Herzog im Wirtschaftsausschuss gravierend verändert. Nun muss man dazu sagen, dass Herzog zwar der „kommunistischen“ Fraktion angehört, aber selbst durchaus in vielen Fragen der linken Mitte nahe steht. Sogar der Wortführer der Konservativen hat seine Arbeit und seine Kompromissfähigkeit öffentlich anerkannt.

Keine Leistung wie jede andere

Aber für Herzog sind die öffentlichen Dienstleistungen – von der Wasserversorgung bis zum Personennahverkehr – nicht einfach eine Leistung wie jede andere, die genauso gut vollständig dem Marktprinzip unterworfen werden können. Er hat die Besonderheit dieser öffentlichen Dienstleistungen für die KonsumentInnen und die Entwicklung einer sozial gerechten Gesellschaft betont. Und deshalb sollte auch die EU in einem Rahmengesetz diese Besonderheiten definieren und festhalten. Für die einfachen Sektoren könnten dann Sonderregelungen getroffen werden, insofern überhaupt Schritte der Liberalisierung erfolgen sollten.
Genau diesen Standpunkt habe ich auch in meinem Entwurf zur Stellungnahme des Verkehrsausschusses zum Herzog-Bericht vertreten – und zum Großteil auch durchgesetzt. Aber im eigentlich dafür zuständigen Ausschuss wurden diese Ideen größtenteils niedergestimmt, vor allem, weil die Konservativen und Liberalen eine Kehrtwendung gemacht haben und auf einer forcierten Liberalisierung bestanden sind.

Anders, als erwartet

Nun war es interessant, wie das Plenum des Parlaments die Sache entscheiden würde. Die meisten Parlamentarier nahmen an, dass eine – wenngleich knappe Mehrheit – sich den rechten Dogmatikern anschließen wird. Es kam allerdings anders. Zwar konnte die linke Mitte nicht alle Wünsche durchsetzen. Aber es konnten einige, gerade auch für Österreich wichtige Grundsätze beschlossen werden. So wurde eine Liberalisierung der Wasserversorgung abgelehnt und generell einer viel vorsichtigeren Marktöffnung im Dienstleistungsbereich das Wort geredet als es die Rechte wollte.
Der Berichterstatter und auch ein Großteil der sozialdemokratischen Fraktion waren bereits auf Ablehnung des Berichts eingestellt, was uns allerdings nicht viel geholfen hätte, da die rechte Mehrheit dann den Bericht mit Freuden angenommen hätte. Durch einige wesentliche Abstimmungsergebnisse konnten wir nun aber dem Bericht unsere Zustimmung geben. So tat es auch der Berichterstatter, der allerdings von seiner Fraktion allein gelassen wurde.

Etappensieg

Sicher ist dies nur ein Etappensieg, aber zusammen mit einigen weiteren Erfolgen in der Vergangenheit, beispielsweise der Ablehnung des Kommissionsvorschlages zur Liberalisierung des Personennahverkehrs und einer weitgehenden Reduzierung der öffentlichen Postdienstleistungen hat das Parlament – mehr als die EU-Kommission – das europäische Gesellschaftsmodell unterstützt.
Straßburg 15.1.04