Eine polnische Woche

Polen in der EU ist weniger bedrohlich für die Einheit Europas ist als Polen außerhalb der EU.
In der vergangenen Woche konnten wir das erste Mal – offiziell – die Beobachter aus den zukünftigen Mitgliedsländern, noch sind sie ja Kandidatenländer, bei einer Plenarsitzung des Europäischen Parlaments in Strassburg begrüßen.

Polnisches „Übergwicht“

Für unsere Fraktion vereinbarte ich mit den Leitern der nationalen Delegationen die Sitzverteilung in den Ausschüssen. Und erst in diesem Moment wurde mir das deutliche polnische „Übergewicht“ so richtig bewusst. Von den 57 Beobachtern, die die sozialdemokratische Fraktion hinzubekommt, sind 27 Polen!
Derzeit haben diese, wie gesagt, lediglich Beobachterstatus. So war es auch nicht besonders schwierig, sie dazu zu bewegen, auf manche kaum realisierbaren Wünsche zu verzichten. Bei der nächsten Aufteilung nach der Wahl im Juni 2004 wird das aber nicht mehr so einfach sein. Dann werden die „Neuen“ selbstbewusste, starke und gleichberechtigte Mitglieder sein, die auch entsprechend um ihre Positionen kämpfen werden.
Es war sogesehen wohl auch kein Zufall, dass Polens Präsident Aleksander Kwasniewski der erste war, der nach der Unterzeichnung der Beitrittsverträge in Athen eine Rede vor dem Europäischen Parlament hielt. Einige Mitglieder verließen, als Kwasniewski erschien, aus Protest gegen die polnische Irakpolitik – die auch mir persönlich äußerst missfällt – den Saal. Nach kurzer Überlegung entschied ich mich aber dazu, da zu bleiben. Erstens muss die Demokratie auch schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten aushalten. Und zweitens müssen wir versuchen, Polen in ein möglichst eigenständiges Europa zu integrieren, das mit den USA ein Verhältnis der Partnerschaft und nicht der Unterordnung eingeht.

Liebkind der USA

Die Rede des polnischen Präsidenten war dann auch durchaus europäisch und in einer sympathischen Form vorgetragen. Kwasniewski erwähnte kurz die innereuropäischen Meinungsverschiedenheiten, signalisierte aber Bereitschaft, zu deren Überwindung beizutragen.
Leicht wird das allerdings nicht sein, denn die USA werden weiter daran arbeiten, Europa entweder als ganzes auf ihre Seite zu ziehen oder, wenn und insofern das nicht möglich ist, zumindest Teile Europas für sich zu gewinnen. Und Polen ist derzeit auch noch stolz darauf, ein Liebkind der Amerikaner zu sein. Auch wenn es für seine Handlangerdienste für die amerikanischen und britischen Besatzungsmächte im Irak die Hilfe der USA und der NATO braucht.

Werbung für EU-Beitritt

Am Freitag dieser Woche reiste ich schließlich nach Krakau, um an den dort stattfindenden Österreichtagen teilzunehmen. Österreich hat es übernommen, in Krakau – so wie einige andere Länder in anderen polnischen Regionen – für den Beitritt zur EU zu werben. Der sehr engagierte Generalkonsul Peter Bresovsky hat unter anderen einige Europaabgeordnete eingeladen, an internen sowie öffentlichen Diskussionsveranstaltungen teilzunehmen. So fand beispielsweise auch ein Treffen zwischen dem polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller und Bundeskanzler Schüssel mit kurzen Ansprachen der beiden im Rahmen einer Veranstaltung an der Jagiellonen-Universität statt.
Meine Kollegin Christa Prets und ich für die SPÖ und Ursula Stenzel für die ÖVP haben versucht, für den Beitritt Polens zur Europäischen Union zu werben. Ich bin trotz aller Meinungsverschiedenheiten davon überzeugt, dass Polen in der EU weniger bedrohlich für die Einheit Europas ist als Polen außerhalb der EU. Leicht werden es uns die polnischen Vertreter aber ganz bestimmt nicht machen, haben wir doch in der Union schon jetzt einige „Freunde“, die nicht an der Stärkung Europas interessiert sind – wie zum Beispiel viele britische Vertreter.
Wien, 17.5.2003