Nach dem Krieg

Der Krieg im Irak ist offiziell für beendet erklärt. Aber weder die Wunden im Irak noch die Folgewirkungen für die europäische Einigung sind verheilt bzw. überwunden.
Der Krieg im Irak ist offiziell für beendet erklärt. Aber weder die Wunden im Irak noch die Folgewirkungen für die europäische Einigung sind verheilt bzw. überwunden.
Charles Kupchan, Professor für Internationale Politik an der Georgetown University, Washington, hat in einem Beitrag für „Die Zeit“ kürzlich mit Recht festgehalten: „Zur Zeit befindet sich die EU in einem Niemandsland. Sie ist zu stark, um Amerikas Vasall, aber auch zu schwach und zu gespalten, um entweder ein effektiver Partner oder ein nennenswerter Gegenspieler der USA zu sein. Das fordert die Geringschätzung Washingtons heraus. Wenn die USA es aber mit einem Starken und zielstrebigen Europa zu tun haben werden, wird es für sie zumindest eine Option sein, eine ausgewogenere Partnerschaft mit Europa zu pflegen.“

Gemeinsame europäische Außenpolitik muss her!

Der Konvent, der die Aufgabe hat, eine europäische Verfassung auszuarbeiten und damit die europäische Integration zu stärken, befindet sich in seiner Abschlussphase. Nach anfänglichem Optimismus, den einige Vorarbeiten und Aussagen führender Politiker verbreitet haben, scheinen einige Länder wieder auf der Bremse zu stehen. Vor allem die Mehrstimmigkeit in Fragen der Außenpolitik durchzusetzen, wird schwierig sein und auch der gemeinsame Außenminister der EU wird wieder in Frage gestellt.
Ich meine ebenfalls, dass eine solche Strategie, die auch eine militärische Komponente zur Untermauerung der europäischen Außenpolitik primär im Dienste der Vereinten Nationen beinhaltet, Voraussetzung dafür ist, der gegenwärtigen hegemonischen US-Politik zu widersprechen. Und dies ist wieder nicht nur für Europa, sondern auch für den Weltfrieden wichtig. Sogar eine Mehrheit der österreichischen Bevölkerung stützt Schritte in Richtung einer europäischen Armee. Dazu im Widerspruch scheint allerdings das nach wie vor starke Bekenntnis zur Neutralität zu stehen. Ist damit aber primär ein Bekenntnis zur Friedenpolitik, zur Bedeutung der Vereinten Nationen und gegen Kriege à la Irak gemeint, dann sehe ich keinen Widerspruch. Unter bestimmten Voraussetzungen und insbesondere mit Unterstützung der UNO wird es allerdings auch unerlässlich sein, den Frieden zu „erzwingen“. Gerade für eine „europäische Armee“, die in der ersten Phase primär noch aus nationalen Komponenten bestehen wird.

Hase und Löwe

Für die Wirksamkeit der europäischen Außenpolitik ist natürlich das Verhältnis zur Hypermacht USA entscheidend. Der deutsche Politologe Herfried Münkler hat auf eine von Aristoteles überlieferte Fabel zurückgegriffen, um das aktuelle Verhältnis USA (Löwe) und den europäischen Staaten (Hasen) zu schildern. In dieser Fabel lehnt der Löwe die Forderung der Hasen nach Gleichheit für alle Tiere mit dem Hinweis ab, dass die Hasen keine – vergleichbaren – Klauen und Zähne hätten.
Auf die aktuelle Situation bezogen meinte Münkler: „Blair und Aznar versicherten, Briten und Spanier seien selber Löwen und hätten mit dem Hasenproblem nichts zu tun, wurden aber ständig durch gegenteilige Bekundungen ihrer Bevölkerung Lügen gestraft. Berlusconi setzte zum Löwensprung an und landete als Hase, während Deutschland und Frankreich eine neue Ordnung zur Geltung zu bringen suchten, in der die Ausnahmestellung der Löwen in Frage gestellt wurde.“
Münkler meint nun, Europa müsse wie ein Fuchs reagieren, der schlau genug ist, mit den USA zusammenzuarbeiten, wo dies sinnvoll und notwendig ist, aber auch eigene Wege geht, wo dies angebracht ist. Der Fuchs wird nie so stark sein wie der Löwe, aber auch nicht so schwach wie der um Gleichheit bettelnde Hase.

Nur Löwe zu sein, ist zu wenig!

Zweifellos hinkt auch dieser Vergleich – wie alle Vergleiche, und Caspar Einem hat mit Recht bei einer Diskussion im Rahmen der Wiener Friedensgespräche eingewandt, dass wir Europa bisher eher mit einem Haus, das wir aufbauen müssen, verglichen haben als mit einem Fuchs. Der Vergleich mit dem Haus verweist zudem auch auf wichtige Eigenschaften im zukünftigen Europa – Geborgenheit, sich zu Hause fühlen, etc. Aber in der realen Welt, in der wir leben, müssen wir uns auch um die äußere und nicht nur um die innere Sicherheit kümmern und es bedarf der Schläue eines Fuchses, der sich weder ständig unterordnet und nicht zu verteidigen weiß noch ständig mit dem Löwen misst. Er muss sich vor allem an Machiavellis Anspruch erinnern: „Wer nur Löwe sein will, versteht seine Sache schlecht.“
Aber wie sollen denn Europas Interessen in der Welt wahrgenommen werden, wenn eine aktive, europäische Außenpolitik von jedem Land blockiert werden kann und wenn kein gemeinsamer Außenminister vorhanden ist, um eine europäische Außenpolitik vorzubereiten und umzusetzen?

Einbringen der europäischen Nuance

Objektiv betrachtet ist es ja nicht nur Europa, sondern – global gesehen – auch der notwendige Interessenausgleich, der einer gemeinsamen Außenpolitik bedarf. Der europäische geschichtliche Lernprozess und die „europäische Nuance“ sollten das durch die amerikanische Hypermacht und ihr selektives militärisches Auftreten entstehende Ungleichgewicht einigermaßen ins Lot bringen. Vor allem unsere Nachbarn im islamisch/arabischen Bereich erhoffen und erwarten sich eine solche Korrektur. Allerdings wird dies nicht ohne eine vernünftige militärische Komponente möglich sein.
So meinte auch der kritische Islamkenner und Schriftsteller Abdel Wahab Meddeb: „Eine solche europäische Nuance bleibt totes Wort, wenn sie nur in Worten ausgedrückt wird und seien sie auch noch so ausdrucksstark. Die Ereignisse im Nahen Osten – vom Konflikt zwischen Israel und Palästina bis zum jüngsten Golfkrieg – zeigen uns die Ineffizienz der europäischen Nuance in der politischen Realität. Wenn sich Europa machtlos fühlt, dann ist es das auch. Ist es nicht Zeit, dass der alte und noch immer junge Kontinent den Willen erweckt, auch jene Mittel zur Anwendung zu bringen, die die Nuance effektiv machen?“ Und Meddeb meint schließlich auch, dass Europa das Risiko eines militärischen Engagements auf sich nehmen muss, um europäische Nuancierungen in die internationale Politik einzubringen.
Wien, 28.5.2003