Energiepolitik als zentrale Strategie der EU

Mit der Energiepolitik werden Fragen der Außen-und Sicherheitspolitik genauso berührt wie die Grund- und Freiheitsrechte. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Umweltpolitik und entscheidend für das Wirtschaftswachstum. Und vor allem ist die Forschungspolitik gefordert, denn diese muss wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung nachhaltiger Formen der Energiegewinnung leisten.
Ich werde mich auch in Zukunft intensiv mit Energiefragen beschäftigen.

Von zentraler Bedeutung

Die Energiepolitik der Europäischen Union ist für die Zukunft der Mitgliedsländer, Europas als solches, aber auch für die globale Entwicklung von höchster Bedeutung. Sie beeinflusst wesentlich die Wirtschaftsentwicklung, aber auch die Umweltbedingungen und damit die konkreten Lebensbedingungen auf unserem Kontinent sowie weltweit. Dabei sind die Bedingungen und Entwicklungen auf einem Teil der Erde von jenen in einem anderen Teil nicht zu trennen.
Das zeigt der Einfluss der Ölpreisentwicklung ebenso wie der Wettbewerb um den Zugang zu den Gasquellen. Daher kann uns beispielsweise das Wachstum der Nachfrage nach fossilen Brennstoffen in den Ländern mit hohem Wirtschaftswachstum genauso wenig unberührt lassen wie die geringe Energieeffizienz außerhalb Europas. Beide Faktoren verteuern die auch von uns nachgefragten fossilen Brennstoffe, da sie ja begrenzte Ressourcen sind und überdies die Gewinnung immer komplizierter und teurer wird. Ähnliches gilt für alle Konflikte in den Zonen der Länder mit hohen Energieressourcen bzw. auf den Transitstrecken. Kriminelle Piraterie ist daher genauso ein Problem wie die Ausweitung fundamentalistischer und terroristischer Regimes entlang dieser Transitrouten. Denn durch die notwendige Bewachung der Transporte werden diese immer teurer.

Mehrere Säulen

Das alles sind gute Gründe, den Verbrauch fossiler, nicht vermehrbarer Rohstoffe drastisch zu reduzieren. Diese Argumente ergänzen und verstärken die Umwelt- und Klimaargumente. Aber dieser Ausstieg ist ein langfristiger Prozess, soll er nicht zu wirtschaftlichen Störungen und Wettbewerbsverschiebungen führen.
Eine langfristige und nachhaltige Energiestrategie der EU muss sich daher auf verschiedene Pfeiler stützen. Es geht nicht um die Sicherung der Gasversorgung oder ums Energiesparen. Es geht nicht um Solarstrom, etwa aus der Wüste oder um eine Erhöhung der Energieeffizienz. Es geht nicht um Biokraftstoffe oder um die Entwicklung des Elektroautos. Es geht nicht um Strom oder Treibstoffe aus Algenkulturen oder um Energie aus Windkraft. Es geht vielmehr um die Erforschung und Entwicklung all dieser Möglichkeiten, denn heute kennen wir den optimalen Weg zur Nachhaltigkeit noch nicht. Und wahrscheinlich gibt es viele Wege, die in unterschiedlichen Situationen kostengünstige und nachhaltige Ergebnisse bringen.

Einsatz von „smart grids“

Auch die Frage der Zentralität bzw. der Dezentralität der Energie- und insbesondere der Stromversorgung muss erst näher definiert werden. Aus wirtschaftlichen Gründen wurde die Versorgung in den letzten Jahrzehnten zunehmend zentralisiert. Aber die neuen Formen der Energiegewinnung könnten auch zusätzliche Elemente der Dezentralisierung und damit auch eine höhere lokale und regionale Verantwortung bewirken. Ein deutscher Politikwissenschaftler meinte sogar kürzlich, dass daraus ein neuer Impuls für die Demokratie gewonnen werden könnte: „Staatliche Regulierung, Marktanreize, alternative Technologien sind wichtig, aber nicht alles. Erst wenn sich die Bürger wieder als Gestalter ihres Gemeinwesens verstehen, entwickeln sich Handlungsoptionen und identitätsstiftende Utopien im Blick auf künftige Generationen.“ (Die Presse, 22.8. 2009)
Eine solche höhere Verantwortung vor allem auch individueller Natur könnte nicht zuletzt durch den Einsatz von „smart grids“ entstehen. Die einzelnen Haushalte könnten dann selbst den Verbrauch energie- und kostensparend planen und regulieren. Zwar befürchten manche einen weiteren Schritt zum gläsernen Bürger, anderseits würde allerdings die Abhängigkeit von den Energielieferanten und deren Preispolitik reduziert werden.

Ressortübergreifend

Man sieht also: Mit der Energiepolitik werden Fragen der Außen-und Sicherheitspolitik genauso berührt wie die Grund- und Freiheitsrechte. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Umweltpolitik und entscheidend für das Wirtschaftswachstum. Und vor allem ist die Forschungspolitik gefordert, denn diese muss wesentliche Beiträge zur Weiterentwicklung nachhaltiger Formen der Energiegewinnung leisten.
All diese Aufgaben erfordern ein Zusammenwirken der einzelnen Mitgliedsländer und der EU insgesamt. Bereits in den vergangenen Jahren hat die EU-Kommission verschiedene Gesetzesvorschläge eingebracht und Parlament und Rat haben diese mit und nach vielen Änderungen beschlossen. Innerhalb des Forschungsrahmenprogramms ist die Energieforschung ein Schwerpunkt, aber meiner Meinung müsste diesbezüglich noch mehr geschehen.

Zusammenarbeit mit den USA

Wir können in Europa sehr froh sein, dass auch Präsident Obama und etliche, vor allem demokratische, Kongressabgeordenete einer nachhaltigen Umwelt- und Energiepolitik eine weitaus höhere Aufmerksamkeit schenken als dies unter Bush und dem alten Kongress der Fall war. Mehr Energiesparen, die Suche nach nachhaltiger Energiegewinnung und eine aktive Bekämpfung der Klimaveränderungen als gemeinsame Anliegen hätten natürlich vielmehr Erfolgchancen als wenn Europa all dies im Alleingang tun müsste.
Zweifellos sind die USA auch unter Obama vorsichtiger und zurückhaltender, und leider wollen sie jetzt auch verstärkt auf Atomenergie setzen. Aber dort, wo es Möglichkeiten einer gemeinsamen Vorgangsweise gibt, sollte man sie ergreifen. In diesem Sinne bereite ich auch eine Reise einiger Fraktionsmitglieder nach Washington vor, um gemeinsame Absprachen zu treffen.

Alle müssen sich anstrengen

Aber natürlich bleiben uns auch in Österreich noch viele energiepolitische Hausaufgaben, die es zu erledigen gilt. Denn die Entscheidungen der EU müssen auch national umgesetzt werden. Und dasselbe gilt für internationale Absprachen und Übereinkommen. Wie die jüngste Untersuchung des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigt, ist Österreich keineswegs immer ein umwelt- und energiepolitischer Musterschüler. So lagen die Treibhausgasemissionen pro Kopf der Bevölkerung 2007 leicht über dem Durchschnitt der EU 27 und auch der EU 15. Und die verkehrsbedingten C02 Emissionen erhöhten sich seit 1990 um fast 80%. Glücklicherweise hilft uns die gut ausgebaute Wasserkraft bei der Energie- und Umweltbilanz. Aber wir können uns keineswegs auf unseren Lorbeeren ausruhen. Alle in der EU müssen besser werden, um so eine nachhaltige Entwicklung Europas zu erreichen. Und nur so können wir die anderen zu einer ebensolchen Politik bewegen.
Dabei ist auch die derzeit besonders wichtige Wirtschaftsankurbelung dazu zu verwenden, grüne Akzente zu setzen. Und in diesem Punkt ist die EU durchaus vorbildhaft. Nach einer Übersicht, die die Financial Times veröffentlichte, weist lediglich Süd Korea einen höheren „Grünanteil“ an den gegenwärtigen Budgets aus. Alle anderen Länder liegen zum Teil weit hinter der EU. Leider liegt Österreich mit einem Grünanteil an den Konjukturpaketen laut Wirtschaftsinstitut hinter dem EU-Durchschnitt. Und wenn jetzt die Wirtschaftskammer eine Förderung des Straßentransports verlangt, würde sich dieses Verhältnis noch verschlechtern.

CO2-Steuer

Wie schon erwähnt, Umwelt- und Energie hängen eng zusammen und müssen beide einen wesentlichen Beitrag zur Klimapolitik leisten. Frankreich überlegt jetzt, da noch einen Schritt weiter zu gehen. Mein ehemaliger Parlamentskollege und früherer sozialdemokratischer Premierminister hat im Auftrag der französischen Regierung einen Vorschlag für eine CO2-Steuer vorgelegt. Jede Tonne CO2 sollte mit einer Steuer von 32 Euro belastet werden. Zahlen sollten dies die Haushalte, die Unternehmungen und die Verkehrsteilnehmer. Ausgenommen sollten allerdings die Industriebetriebe werden, die ohnedies durch die EU-Klimapolitik eine zunehmende Begrenzung bzw. Verteuerung der erlaubten CO2 -Emmissionen erfahren.
Naturgemäß hat dieser Vorschlag viele Debatten hervorgerufen und wird das auch weiterhin noch tun. So kritisieren manche, dass eine solche Steuer ein Geschenk an die Atomenergieindustrie wäre, da sie ja den Strom ohne CO2 als Nebenprodukt erzeuge. In Österreich allerdings wäre eine CO2-Steuer ein „Geschenk“ an die Wasserkraft.

Die Debatte geht weiter

Jedenfalls, die Debatte um die Klimapolitik mit ihren Auswirkungen auf die Energiepolitik – und umgekehrt – geht weiter, und das ist gut so. Denn sosehr Europa in der Debatte und auch bei den Maßnahmen führend ist, sosehr ist noch einiges zu tun. Zweifellos sind dabei die europäischen Wettbewerbsbedingungen und die Erhaltung von Arbeitsplätzen im Auge zu behalten. Aber wenn Europa in diesen Fragen eine Führungsrolle einnimmt, so hat dies durchaus positive Effekte auf die Wettbewerbsfähigkeit und auf die Arbeitsplätze auf unseren Kontinent.

Brüssel, 26.8.2009