Europa als Friedensprojekt

Wir brauchen eine Kombination eines starken, sozial orientierten Europas, das sich auch eine Verfassung gibt und sich mit der Frage der europäischen Außenpolitik vertieft.
Gestern Abend haben die verschiedenen Aktivitäten anlässlich meines 60. Geburtstages begonnen. Ich empfinde diese aber nicht so sehr als eigentliche Geburtstagsfeiern, sondern als eine Gelegenheit, meine 10 jährige Tätigkeit im Europäischen Parlament – die ich heuer, wie einige andere KollegInnen, begehe – zum Anlass zu nehmen, mich und meine Arbeit zu präsentieren.

Internationale Paneldiskussion

So habe ich gestern mit den in Brüssel lebenden und arbeitenden KorrespondentInnen bei einem Arbeitsessen einige europäische Fragen diskutiert. Dabei standen nicht zuletzt die aktuellen Entwicklungen der vergangenen Tage im Mittelpunkt. Und heute Abend fand im Wiener Renner Institut eine aus meiner Sicht schöne und interessante Veranstaltung über Europa als Friedensprojekt statt.
Bei dieser internationalen Paneldiskussion, zu der anlässlich meines 60 Geburtstages eingeladen worden war, hielten der ehemalige Bundeskanzler Franz Vranitzky, die österreichische Botschafterin in Washington, Eva Nowotny und der bekannte libanesische Schriftsteller und Intellektuelle Abbas Beydoun die Eröffnungsreden. Der Vorsitzende unser Fraktion im Europäischen Parlament, Martin Schulz, einer seiner Stellvertreter und ein guter Kollege von mir, Jan Marinus Wiersma und ich selbst diskutierten im Anschluss mit den drei Keynotespeakers.

Die Ursprungsidee nicht vergessen

Wir waren uns einig, dass Europa als Friedensprojekt einen ganz zentralen Aspekt darstellt. Und ich war froh, dass Franz Vranitzky auf den Ursprung der Europäischen Union als Friedensprojekt, wenngleich auch mit ökonomischen Mitteln, hingewiesen hat. Diese Ursprungsidee geht in den verschiedenen Debatten und Diskussionen über die Europäische Union immer wieder unter, was zu einer äußerst einseitigen Darstellung der EU als Wirtschaftsprojekt führt.
Für uns alle war klar, dass wir eine Kombination eines starken, sozial orientierten Europas brauchen, das sich auch eine Verfassung gibt und sich mit der Frage der europäischen Außenpolitik vertieft. Wir können uns nicht einerseits ausschließlich an der Außenpolitik orientieren und die innere Struktur und Akzeptanz Europas sowie die Alltagsprobleme der Menschen vernachlässigen. Wir können uns aber auch nicht im Sinne einer Binnenorientierung ausschließlich um die internen Probleme kümmern und dabei die Krisenerscheinungen in unserer Nachbarschaft vernachlässigen. Diese wirken sich natürlich auch auf uns aus: durch Flüchtlingsbewegungen, Migration, Terrorismus, mangelnde wirtschaftliche Attraktivität, etc.

Europa ist im Aufbau

Die verschiedenen Faktoren greifen ineinander über. Für unsere BürgerInnen sind diese komplexen Zusammenhänge nicht immer leicht zu durchschauen. Zudem sind wir selbst in unseren Interpretationen und Argumentationen gegenüber den Menschen oft zu nachlässig. Und genau das rächt sich und trägt zur mangelnden Akzeptanz des nach wie vor unfertigen Projekts Europa bei. Denn auch das gilt es festzuhalten: Europa befindet sich im Aufbau, es hat Rückschläge zu verzeichnen und es verfügt über Mängel.
Betrachtet man lediglich diesen Staus quo, dann fällt die Beurteilung – manchmal zu Recht – negativ aus. Aber gerade wir müssen danach trachten, dass eine Dynamik entsteht, die den BürgerInnen verdeutlicht, dass sich Europa in die richtige Richtung entwickelt – und zwar angesichts der Probleme, die wir im Inneren wie im Äußeren zu bewältigen haben.

Gratulanten

Ich habe mich sehr gefreut, dass zu dieser Veranstaltung ins Renner Institut derart viele BesucherInnen gekommen sind. Unter ihnen waren auch der serbische wie der kroatische Botschafter, die mir zum Geburtstag gratuliert und mir kleine Geschenke überreicht haben. Ich habe mich gerade für diese Region in besonderem Ausmaß engagiert und möchte das auch in Zukunft tun.

Wien, 9.11.2006