Im ehemaligen Tito-Refugium

Kroatien hat sich zweifellos „herausgemausert“ und es ist zu hoffen, dass die gegenwärtige Regierungsmehrheit demnächst wieder ein Mandat erhält. Aber mit der Flüchtlingsrückkehr gibt es nach wie vor große Probleme.
Es ist gar nicht so einfach, nach Brijuni (Brioni) zu kommen: zwei Flüge (Wien-Zagreb, Zagreb-Pula), eine kurze Autobusfahrt zum Hafen Fasani und eine Bootsfahrt waren notwendig, um auf die Insel zu gelangen. Brijuni war ja jahrelang gesperrt, weil Tito die Insel als sein Refugium nutzte bzw. hier Staatsgäste empfangen hat.

Balkan-Konferenz

Ich kam hierher, um an einer Konferenz über die Situation am Balkan bzw. die Integration des Balkans in die EU teilzunehmen. Geleitet wurde diese vom äußerst sympathischen, ehemaligen finnischen Staatpräsidenten Martti Ahtisaari. Mehrere Regierungschefs und Minister aus der Region stellten die Situation in ihrem Land dar. Manche offen und ehrlich, andere wieder beschönigend.
Leider haben sich in den letzten Tagen wieder schlimme Vorfälle ereignet. Einige Serben im Kosovo, darunter Kinder, wurden Opfer von Attentaten. Und sowohl in Mazedonien als auch im nahe gelegenen Presovo Tal in Serbien gab es neuerlich albanische Feischärlertätigkeit. All das wird nicht zu einem neuen Krieg führen, aber es macht bestimmte Regionen des Balkans nicht gerade attraktiv für die dringend benötigten Investitionen.

Schwierige Anlaufphase

Anscheinend stehen noch immer die politischen Fragen, vor allem jene der ethnischen Nationalität, im Vordergrund anstatt der Wettbewerb um ausländische Investoren bzw. um einheimische Fachkräfte, die in ihren eigenen Ländern kaum eine Zukunft sehen. Und da der Tourismus im großen und ganzen auf die – vor allem kroatische – Küstenregion beschränkt ist, ist von dort kaum ein nachhaltiger Beitrag zum Wiederaufschwung und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zu erwarten.
Vielleicht müssten wir den Politikern dieser Region auch in Bosnien-Herzogewina, in Serbien-Montenegro, inklusive dem Kosovo, mehr Verantwortung übertragen. Denn derzeit verstecken sie sich allzu sehr hinter den internationalen Institutionen und erhoffen sich Finanzhilfe. Ja, wir müssen zu Hilfe bereit sein, aber die Reformen und die Bereitschaft zur Kooperation mit den Nachbarn müssen sie schon selbst aufbringen!

Problem Flüchtlingsrückkehr

Was bei dieser Tagung auf Brijuni – heute ein sehenswerter Nationalpark – kaum zur Sprache kam, war die Situation in Kroatien selbst. Das Land hat sich zweifellos gut „herausgemausert“ und es ist zu hoffen, dass die gegenwärtige Regierungsmehrheit demnächst wieder ein Mandat erhält. Aber mit der Flüchtlingsrückkehr gibt es nach wie vor große Probleme, vor allem was die Kroaten serbischen Ursprungs betirfft. Auf lokaler Seite regt sich oft starker Widerstand und die Regierung traut sich nicht, etwas dagegen zu unternehmen. Neben den Animositäten gegen die Serben als solches bzw. deren bezweifelter Loyalität zur Koalition ist es in erster Linie die triste Wirtschaftslage, die den Zuzug der „Serben“ unwillkommen macht. Da sich insbesondere die jüngeren Familien abgehalten fühlen, in ihre „Heimat“ zurückzukehren, kommt es in manchen Regionen zur Überalterung und sogar zur Entvölkerung, wie einige Kroaten selbst feststellen.
Aber wo die Auseinandersetzungen einen ethnischen und nationalen Anstrich bekommen, zählen nationale und wirtschaftliche Argumente kaum. Da allerdings Kroatien bald Verhandlungen mit der EU über einen Beitritt aufnehmen möchte, ist auf vermehrte Anstrengungen zur Flüchtlingsrückkehr zu hoffen. Sie ist eine der Vorbedingungen offizieller Verhandlungen zwischen der EU und Kroatien.
Brijuni, 9.9.2003