In den USA II

DSCN6521

Washington

Die Diskussionen mit den russischen Abgeordneten und den amerikanischen ExpertInnen und Abgeordneten in Washington sind durchaus erfolgreich verlaufen. Natürlich ist der Diskurs in Europa und den USA unterschiedlich, aber vor allem in Russland verlaufen die Diskussionen doch deutlich anders. Noch ist die Offenheit nicht vergleichbar mit jener im „Westen“. Man hat auch oftmals das Gefühl, dass nach dem Zusammenbruch des Kommunismus, vor allem aber der Sowjetunion, eine gewisse Ratlosigkeit herrscht – jedenfalls eine größere Ratlosigkeit als in Europa und den USA.

Unterschiedliche Beziehungen

Hinzu kommt, dass die Beziehungen zwischen der EU und Russland einerseits und den USA und Russland anderseits sehr unterschiedlich sind. Die ersteren sind enger, aber auch problematischer. Einerseits durch die Abhängigkeit Europas von Energielieferungen aus Russland, andererseits durch die Nachwirkungen der direkten oder indirekten Herrschaft der Sowjetunion über einige der jüngeren Mitgliedsländer der EU oder gemeinsame Nachbarn.
Die USA sind nicht von Energielieferungen abhängig und haben auch sonst nur geringe Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. Sie sind eine vergleichbare militärische Großmacht. Allerdings, die Nato-Erweiterungsstrategie ist etwas, was die russischen Kollegen in fast jedem Gespräch angeschnitten haben. Und das, obwohl die neue Obama-Administration hier viel vorsichtiger vorgeht.

Afghanistan

Natürlich haben wir auch über Afghanistan und Zentralasien gesprochen. Die Russen wollen sicher nicht zurück nach Afghanistan, aber die starke amerikanische Präsenz in diesem Raum ist ihnen ein Dorn im Auge. Interessant war, dass einer der militärischen Experten, den wir zu unserem Gespräch eingeladen hatten, nur mit vielen Bedingungen von einem möglichen Erfolg der Nato und der Amerikaner in Afghanistan gesprochen hat.
Unsere Gespräche zu diesem Thema waren auch durch die Entlassung des kommandierenden Generals in Afghanistan überschattet. General McChristal hatte in dem eher alternativ ausgerichteten Magazin Präsident Obama, Vizepräsident Biden und etliche andere kritisiert und mit Schimpfwörtern bedacht. Obama konnte sich das nicht gefallen lassen, und so wurde der General entlassen. Es ist spannend, dass in den USA immer wieder Generäle versuchen, sich in die Politik einzumischen und vor allem die zivile Führung in Kriegszeiten kritisieren.

Modernisierung der russischen Wirtschaft

Gleichzeitig mit unseren Gesprächen befand sich der russische Präsident Medwejdew in den USA. Wie die Medien feststellten, nicht, um geo-politische Fragen zu besprechen, sondern im Interesse der Modernisierung der Wirtschaft. So besuchte er vor allem Silicon Valley in Kalifornien.
Auch in unseren Diskussionen war die Modernisierung der russischen Wirtschaft ein Thema. Ich schlug vor, einige spezielle Projekte in den Mittelpunkt der Dreier-Zusammenarbeit zwischen USA, Russland und EU zu stellen. So könnten Fragen der Energieeffizienz und des Energiesparens und generell grünes und nachhaltiges Wachstum die Grundlage einer engen Kooperation darstellen.

Library of Congress

Der letzte Teil des Dialogs bzw. des Trilogs über Demokratie und parlamentarische Verantwortung fand in der Library of Congress, also der Kongressbibliothek statt. Es handelt sich dabei um ein imposantes Gebäude vis-à -vis des Kongresses, das nicht nur eine umfangreiche Bibliothek umfasst, sondern auch das Zentrum einer unabhängigen Forschungsorganisation ist. 750 ForscherInnen arbeiten im Dienst der Senatoren und Abgeordneten und verschaffen ihnen auf diese Weise eine von der Regierung unabhängige Expertise.
Besonders beeindruckend war für mich der Leiter der Library of Congress, Dr. Billingham. Er ist Russlandspezialist und beherrscht fließend die russische Sprache. Er schilderte die Zusammenhänge zwischen der Erfindung des Buchdrucks und der Verbreitung von Büchern und Zeitungen mit der Entwicklung der Demokratie. Er war den neueren Möglichkeiten der Kommunikation keineswegs abgeneigt. Aber sie sollten auch in einer intelligenten Form genützt werden, nicht zuletzt, um das in den Bibliotheken vorhandene Wissen möglichst vielen zugänglich zu machen.

Washington, 24.6.2010