In den USA II

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Es sollte wieder eine intensive USA Woche werden – in Washington und dann in New York. Die ganze Zeit über begleitete uns die Debatte über die Budgetkonsolidierung in den USA. Sie war und ist den Debatten in verschiedenen europäischen Ländern nicht unähnlich. Auch in den USA geht es um vorrangige oder ausschließliche Budgetkürzungen oder um eine Kombination aus Kürzungen und wachstumsfördernden Maßnahmen. Und dazu sind Steuererhöhungen notwendig – vor allem bei den oberen Einkommensgrupppen.

Entscheidungsschwäche

Obama schlug die zweite Variante vor und wollte überdies ein langfristiges Budgetkonsolidierungskonzept durchsetzen. Die Republikaner, vor allem unter Druck der rechten Tea Party-Bewegung, lehnten Steuererhöhungen ab und wollten nur kurzfristige Lösungen anpeilen, um Obama weiter unter Druck setzen zu können. Und die Kürzungen sollten vor allem die Sozial- und Gesundheitsausgaben betreffen und damit in erster Linie die Reformen und Anhänger von Obama schädigen.

Die Patt-Situation zwischen Präsident Obama und einem mehrheitlich republikanischen Repräsentantenhaus sowie einem knapp demokratisch beherrschten Senat macht jedenfalls klare Entscheidungen schwierig. So kommt zur objektiv schwierigen wirtschaftlichen und finanziellen Situation noch die politische Entscheidungsschwäche hinzu. Und insofern ist die Situation in den USA mit jener in Europa vergleichbar. Wirtschaftlich können sich die beiden „Krankheitsherde“ darüber hinaus noch verstärken. Das ist jedenfalls die Angst in den USA hinsichtlich der schwelenden Krisen in Griechenland etc.

Konzepte fehlen

Was diese Frage betrifft, so hat mich jedenfalls unser Besuch beim Chefökonomen des Internationalen Währungsfonds in meiner Meinung bestätigt: Griechenland kann nur dann aus der Krise herauskommen, wenn es zu einer Umschuldung kommt und das Defizit deutlich unter 100% des Sozialprodukts herabgedrückt wird. Zwar kann jede Umschuldung eines Landes eine Ansteckung anderer Länder mit sich bringen, aber ungelöste Krisen haben die größte Ansteckungsgefahr in sich. Was aber angesichts der verschiedenen ideologischen und politischen Auseinandersetzungen leider völlig verloren gegangen ist, ist der gemeinsame Versuch von USA und Europa, einen Ausweg aus der Krise zu finden – und zwar durch Einsparungen und durch koordinierte Wachstumsstrategien. Schlüssige Konzepte dafür gibt es weder in Europa noch in den USA und schon gar nicht wurden solche gemeinsam entwickelt oder versucht umzusetzen.

Genau diese unsichere Situation und wenig koordinierte Politik muss einem große Sorgen machen. Es gibt derzeit keinen stabilen Anker, auf den man vertrauen kann. Selbst China hat einige große Probleme zu lösen. Und daher ist eine längere Stagnation zu befürchten. Genau das gibt Globalisierungsgegnern Auftrieb, ohne dass sie eine Alternative anzubieten haben. Denn es kann ja niemand ernsthaft behaupten, dass ein Rückzug vom internationalen Handel neue Arbeitsplätze schaffen würde.

Wirtschaftliche Dynamik erzeugen

Diese Fragen diskutierte ich in einem Panel im Rahmen der „Transatlantic Week“, die gleichzeitig mit unserem Besuch in Washington stattfand. Gemeinsam mit der stellvertretenden Handelsbeauftragten der USA, Myriam Sapiro, dem US-Abgeordneten Ron Kind und einem Vertreter der EU-Kommission erörterten wir die Möglichkeiten, trotz Stagnation bei den multilateralen Verhandlungen durch bilaterale Handelsabkommen wirtschaftliche Dynamik zu erzeugen.

Dabei sind natürlich auch negative Konsequenzen auf bestimmte Sektoren nicht auszuschließen. Und da müssen wir den betroffenen ArbeitnehmerInnen helfen. Dies besprach ich auch mit dem Abgeordneten Gregory Meeks, einem Befürworter der verschiedenen in den USA zur Diskussion stehenden Freihandelsabkommen. Begleitend zu den Abkommen werden im Kongress immer entsprechende Unterstützungsmaßnahmen beschlossen. Und wir haben in der EU ja den Globalisierungsfonds, der ebenfalls dafür eingesetzt werden kann, und meiner Meinung nach in Zukunft dafür verstärkt eingesetzt werden muss.

Gemeinsame Standards anpeilen

Sowohl in Bezug auf den Handel als auch auf Investitionen gibt es aber auch Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU. Könnten wir uns nämlich auf gemeinsame Standards einigen, so könnten wir beide von einem größeren Markt profitieren. Vor allem im Bereich alternativer und nachhaltiger Energien wäre die Entwicklung gemeinsamer Standards von Vorteil. Dann allerdings müssten wir noch andere Länder gewinnen. Zum Beispiel hinsichtlich der Bio-Treibstoffe bräuchten wir auch eine Teilnahme von Brasilien, um eine umweltverträgliche Produktion zu garantieren. Aber es braucht immer Länder bzw. Regionen, die die Initiative ergreifen. Dann können sie auch in stärkerem Masse die Inhalte bestimmen. Europa hat das mit der Chemikalienrichtlinie REACH vor einigen Jahren getan und hat damit eindeutig einen Startvorteil.

Gemeinsame Standards anzupeilen bedeutet also nicht, auf eine Vorreiterrolle zu verzichten. Das gilt auch für die Frage der Transparenz im Bereich der Grundstoffindustrie und dabei vor allem bei der Gewinnung von Erdöl und Erdgas. Es ist meiner Meinung nach völlig inakzeptabel, dass viele Länder, in denen diese Energieressourcen ausgebeutet oder auch Diamanten und andere wertvolle Rohstoffe gewonnen werden, nur sehr wenig von diesen Investitionen haben. Zumindest, wenn man die Mehrheit der Bevölkerung betrachtet. Ja, einige Herrscher und deren Familien ziehen hohe Profite daraus und bereichern sich. Hier sollten die USA und Europa die bestehende Transparenzinitiative verstärken und vorantreiben. Das Gegenargument, das mir ein Unternehmer in der Debatte entgegenhielt, nämlich, dass wir uns dadurch einen Nachteil gegenüber China einhandeln würden, kann ich nicht gelten lassen. Wir müssen mit klaren moralischen Vorgaben vorangehen und soweit wie möglich Druck auf China ausüben, sich um ähnliche Grundsätze zu bemühen. Auch wenn wir dabei kurzfristig nur begrenzten Erfolg haben. Aber ein Vernachlässigen der Interessen der breiten Schichten rächt sich allemal, wie man derzeit in Nordafrika sieht.

Washington, 15.7.2011