Im Kosovo

L1010339Anlass eines kurzen Wochenendbesuchs im Kosovo, konkret in Pristina, war eine von Fate Velaj organisierte Ausstellung mit Fotos und gemalten Bildern in der Kunstgalerie von Pristina. Auch von mir wurden einige Fotos aus der Region und Acrylbilder gezeigt.

Kunst und Politik

Die Ausstellung in Pristina hat mir sehr gut gefallen. Ich hatte das Glück, dass meine bescheidenen künstlerischen Werke mit einigen sehr interessanten modernen Kunstwerken ausgestellt wurden. Jedenfalls wurde ich durch die Ausstellung angeregt, meine künstlerische Neigung wieder stärker zum Ausdruck zu bringen. Hoffentlich ist im Sommer etwas Zeit und Muße dafür: fürs Malen und fürs Fotografieren.

Aber selbstverständlich gab es bei diesem Besuch neben der künstlerischen Seite noch die politische. Einerseits fand auf der Universität von Pristina eine Podiumsdiskussion über Kosovos Weg in die EU statt. Gemeinsam mit dem kosovarischen Erziehungsminister, dem lokalen Chef der Raiffeisenbank und einem Theaterdirektor diskutierten wir mit StudentInnen und Professoren das Verhältnis zwischen Kosovo und EU. Dabei wurde vor allem von Seiten der KosovarInnen die Visafrage angeschnitten. Sie sehen sich nämlich, nachdem alle anderen Länder in der Region die Visafreiheit bekommen haben bzw. im Begriff sind, sie zu bekommen, zunehmend isoliert. Allerdings müssen sie erst selbst ihre Hausaufgaben machen, zum Beispiel biometrische Pässe einführen. Das wird jetzt bald passieren, nachdem der diesbezügliche Auftrag – den übrigens die österreichische Staatsdruckerei gewonnen hat – ausgeschrieben wurde.

Die Visafrage

Nicht nur bei dieser Diskussion, sondern auch bei vielen anderen Gesprächen kam dieses Gefühl der Isolierung und des Alleingelassenwerdens zum Ausdruck. Aber immerhin, Kosovo, obwohl nicht einmal von allen EU-Staaten anerkannt, wird in vielen Fällen wie ein vollwertiger Staat anerkannt. Jetzt warten wir einmal auf den Verlauf der Gespräche zwischen Kosovo und Serbien über die Lösung pragmatischer Fragen. Vor kurzem hat uns der „Vermittler“ der EU bei diesen Gesprächen, Robert Cooper, über den Fortgang bzw. die bisher ausgebliebenen Ergebnisse informiert. Letzte Woche sprach ich mit den serbischen Vizepremier Djelic darüber und meinte, einige konkrete Resultate seien notwendig, damit Serbien eine Anerkennung als Beitrittskandidat erhalten kann. Die Hoffnung auf konkrete Vereinbarungen drückte ich auch im Gespräch mit dem kosovarischen Außenminister Enver Hoxha aus. Beide zeigten sich optimistisch, dass es im Herbst zu etlichen Vereinbarungen kommen wird.

Im Gespräch mit Außenmister Hoxha ging es aber vor allem um die Schritte, die der Kosovo von der EU erwartet. Einerseits natürlich die Visafreiheit, aber auch die Zulassung zur Europäischen Bank für Wiederaufbau (EBRD). Ich bin sehr froh, dass Enver Hoxha, der in Wien studiert hat, seit drei Monaten das Außenministerium übernommen hat. Er ist aus meiner Sicht wesentlich besser geeignet, diesen schwierigen Posten auszufüllen, als sein Vorgänger, den ich immer – schon als er Berater von Staatsgründer Ibrahim Rugova war – eher für einen taktisch unbegabten Hardliner gehalten habe. So vereinbarten wir einen laufenden Kontakt, wobei ich meine guten Beziehungen zu serbischen PolitikerInnen nicht leugnete, sondern im Gegenteil im Interesse beider Länder nützen möchte. So wie auch meine guten, freundschaftlichen Beziehungen zum neuen griechischen Außenminister Stavros Lambrinidis.

Der – zivile – Kampf geht weiter

Ich hatte auch sehr gute Gespräche mit einigen Freunden aus Albanien, die extra nach Pristina gekommen sind, um mich zu besuchen. Aber auch mit jungen Experten aus der proeuropäischen Zivilgesellschaft hatte ich ausführliche Diskussionen. Da bildet sich wirklich eine aufgeklärte Schicht von gut ausgebildeten Leuten heraus, die die Engstirnigkeit mancher kosovarischer politischer Auseinandersetzungen überwinden und „Anschluss“ an Europa finden wollen.

Natürlich ist im Straßenbild und auf einem Hügel am Rande der Stadt, wo sich das Grab von Rugova und die Gräber einiger UCK-Kämpfer befinden, noch der alte, kämpferische Kosovo präsent. Das darf ja auch nicht verwunden, ist doch die Staatsgründung und das Selbständigwerden den Kosovo-Albanern nicht in den Schoss gefallen. Die Unabhängigkeit musste mühsam erkämpft werden und auch heute geht der – zivile, diplomatische – Kampf weiter. Mein Eindruck ist aber, dass man eingesehen hat, dass nicht Hass und Feindschaft gegenüber Serbien und den Serben angesagt ist, sondern eine Normalisierung der Beziehungen und ein friedliches Zusammenleben auch im Kosovo selbst.

Sorgenkind Albanien

Dieser Eindruck wurde auch bestätigt, als ich vor dem Abflug nach Wien am Flughafen eine Gruppe kosovarischer Abgeordneter traf. Sie bestand aus „albanischen“ und „serbischen“ Abgeordneten und sie sprachen von einer guten Zusammenarbeit und vom Ausbleiben von Konflikten zwischen den beiden Volksgruppen. Wie mir eine sehr sympathische und engagierte Österreicherin, die an Rückkehrprogrammen im Kosovo arbeitet, berichtete, gibt es inzwischen auch Serben, die wieder in den Kosovo zurückkehren wollen. (Allerdings berichtete sie auch, dass die Lage der Roma und damit auch für die „freiwillig“ oder auch erzwungenen Rückkehrer nach wie vor äußerst prekär sei.)

Sicher gibt es, wie eben erwähnt, noch viele Probleme, aber ich bin im wesentliche optimistisch zurückgekehrt. Sorgen allerdings machte uns allen die Lage im Nachbarland Albanien. Ich berichtete von meinem Gespräch mit dem albanischen Außenminister letzte Woche. Gemeinsam war uns die Ansicht, dass die persönliche Animosität der beiden politischen Führer links und rechts eine wirkliche Gesprächsbasis unmöglich macht. Aber wenn sie nicht über den eigenen Schatten springen, verzögern sie die Annäherung an die EU noch länger. Regierung und Opposition müssen einen Minimalkonsens herstellen, wenn es um Europa geht.

Pristina, 26.6.2011