Kroatisch-slowenische Annäherung

Der Wille aller Seiten, die Grenzprobleme zwischen Kroatien und Slowenien möglichst bald zu lösen, ist erkennbar und vorhanden.
Nach Vollendung der Arbeit in Straßburg und Brüssel ging es für mich vor der Sommerpause noch einmal nach Kroatien.

In der Gespanschaft Split

Auch diesmal wollte ich nicht nur Zagreb besuchen, sondern auch die „Provinz“. Dabei ist es natürlich verwegen, Split als Provinz zu bezeichnen. Es handelt sich um die zweitgrößte Stadt Kroatiens, einen der größten Passagierhäfen des Mittelmeers, jedenfalls auf europäischer Seite und um eine Stadt mit langer römischer, venezianischer und österreichischer Geschichte. Diese Geschichte ist noch heute an den Gebäuden der Stadt klar ablesbar. Vor allem die unterschiedlichen Schichten des umge- und überbauten Dokletianspalastes demonstrieren diese Geschichte sehr deutlich.
In den Gesprächen mit den Vertretern der Stadt und der „Gespanschaft“ kam sowohl das klare Interesse an einer Mitgliedschaft in der EU als auch der Wunsch nach Bewahrung der eigenen, lokalen und regionalen Identität zum Ausdruck. Dabei befinden sich Kroatien und seine Regionen in nicht unähnlicher Situation wie Österreich und die meisten, wenn nicht alle der bestehenden Mitgliedsländer der EU. Man will zum großen Europa gehören, aber man will in diesem Europa nicht untergehen und „assimiliert“ werden. Integration, aber nicht Assimilierung ist gefragt. Diese schwierige Gratwanderung muss die EU leisten, will sie ihre globalen Aufgaben nicht nur im Interesse, sondern auch mit der Unterstützung der Bevölkerung leisten.

Dichtes Besuchsprogramm

Am nächsten Morgen fuhr ich weiter nach Zagreb. Ab neun Uhr spulte ich ein intensives Besuchsprogramm ab. Zuerst ging es zu Präsident Mesic in seiner Residenz, eine der vielen offiziellen Villen des ehemaligen jugoslawischen Staatschefs Marshall Tito. Vor allem die Probleme der Balkan-Region waren das Gesprächsthema. Ich brachte aber auch einige aktuelle Probleme mit der Medienfreiheit zur Sprache, und zwar in Folge einiger brutaler Attacken auf Journalisten.
Im Anschluss besuchte ich den Parlamentspräsident im Sabor. Er hat mit den Parlamentariern in den letzten Monaten ein großes Arbeitspensum erledigt und war auch bereit, meinem Ansinnen zu folgen und die Umsetzung der Gesetze zu überwachen.

Bei Präsident Sanader

Der dritte Besuch galt Ministerpräsident Sanader in dessen Amtssitz vis à vis des Parlamentsgebäudes. Wir besprachen die konkreten Reformvorhaben, insbesondere auch die Reform der Schiffswerften, auf die ich schon bei meinem Besuch in Split angesprochen wurde. Ja, vor einigen Wochen besuchten mich in Brüssel die diesbezüglichen VertreterInnen der Gewerkschaften, um auf die Arbeitsplatzprobleme aufmerksam zu machen. Natürlich muss es die Reformen und vor allem den Abbau der wettbewerbsverzerrenden Subventionen geben, aber ich habe Verständnis für den Wunsch, strukturbereinigte Werften in Kroatien zu erhalten.
Im Übrigen war Premierminister Sanader nicht glücklich über meine Aussagen vor Medienvertreter in Split, dass der Beitritt Kroatiens erst 2012 erfolgen werde. In Kroatien wird immer das Zieldatum 2009 genannt. Aber dabei geht es um den Abschluss der Verhandlungen. Nachher folgen noch eine zeitraubende Phase der Zustimmung im Europäischen Parlament und die Ratifizierung in allen Parlamenten der Mitgliedstaaten und im kroatischen Sabor selbst.

Reges Medieninteresse

Im Anschluss an dieses Gespräch diskutierte ich noch mit dem kroatischen Außenminister, der schon von Sanader zu unserer Unterredung hinzugezogen wurde, die Grenzprobleme mit Slowenien. Er hatte erst jüngst ein ausführliches Gespräch mit dem slowenischen Außenminister Dimitri Rupel, das er selbst sehr positiv einschätze. Noch am selben Abend sollte ich Dimitri Rupel sehen und seine Sicht der Gespräche hören. Unmittelbar im Anschluss an unsere Gespräche gaben wir beide vor den zahlreich erschienen Medienvertreter eine Erklärung zur Klarstellung des Zeitplans für Kroatiens Beitritt ab.
Dann ging es in die Kommissionsvertretung zu einer weiteren gut besuchten Pressekonferenz. Wieder war das Beitrittsdatum das Hauptgespräch, aber auch die anstehenden Probleme auf dem Mediensektor. Nach einigen separaten Interviews lud der Kommissionsvertreter, ein äußerst versierter und fähiger Elsässer zu einem Arbeitsmittagessen in seiner Residenz ein. Zugegen waren vor allem VertreterInnen der OECD und des Büros für die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Strafgerichsthof in Den Haag. Dabei gibt es noch einige Probleme mit den Gerichtsverfahren bezüglich vermeintlicher Kriegsverbrecher in Kroatien selbst, so mangelnden Zeugenschutz. Auf der anderen Seite sind zentrale Aufzeichnungen, die für einen erfolgreichen Prozess gegen General Godovina in Den Haag verwendet werden könnten, „verschwunden“. Man kann sich ausdenken, warum.
Nach einem ausführlichen „Interview“ mit der angesehenen Zeitung Globus inklusive einer Besichtigung von für die Stadtentwicklung Zagrebs interessanten Orten über meine Ideen für die zukünftige Entwicklung der kroatischen Hauptstadt war das Tagesprogramm zu Ende.

Grenzstreitigkeiten

Ein Grund für meinen Besuch in Kroatien war die Einladung eines Journalisten des Kurier, mit ihm gemeinsam die umstrittene Bucht von Piran zu besuchen und über die Grenzstreitigkeiten vor Ort zu diskutieren. So ging es am nächsten Morgen mit dem kroatischen Protokoll zur slowenischen Grenze, wo mich das slowenische Protokoll „übernahm“. Zuerst hatte ich ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses im slowenischen Parlament. Danach ging es Richtung Meer. Nach einem Gespräch mit slowenischen Fischern in Piran fuhren wir wieder nach Kroatien zurück, wo mich der dortige „Landeshauptmann“, ein alter Bekannter, empfing.
Sowohl aus dem Gespräch mit den slowenischen Fischern als auch aus der Diskussion mit dem istrischen Landeshauptmann und dem Bürgermeister von Umag ergab sich der Wille aller Seiten, die Grenzprobleme möglichst bald zu lösen. Angesichts der wechselvollen Geschichte dieser Region wäre es höchste Zeit, die letzten noch offenen Probleme im Einvernehmen zu lösen.

Offene Fragen

Schließlich ging es wieder zurück nach Slowenien, mit der üblichen Übergabe von einem Protokoll ans andere und anschließend nach Koper. Dort lud mich Außenminister Rupel zu einem Arbeitsabendessen ein. Auch er bestätigte, dass sich das Verhältnis zu Kroatien verbessert hat. Er kann sich auch eine Entscheidung durch einen Dritten, nicht zuletzt durch den Internationalen Gerichtshof, vorstellen.
Genau das hatte ich ja in meinem Bericht an das Europäische Parlament vorgeschlagen. Nun dürfte diese Idee zur Anwendung kommen. Allerdings sind noch einige Vorfragen zu klären. Soll der Schiedsspruch nur auf Grundlage des internationalen Rechts erfolgen, wie es die Kroaten vorschlagen oder soll auch ein Ausgleich der Interessen zur Entscheidungsgrundlage gemacht werden? Das ist natürlich der Wunsch der Slowenen, die sich vor allem einen Korridor zum offenen Meer wünschen. Nach Behandlung dieser Fragen hatten wir eine ausführliche Diskussion über die einzelnen Staaten und Probleme des Balkans. Im Übrigen berichtete Dimitri Rupel über seine Erfahrungen während der slowenischen Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2008. Es war nach Mitternacht, als ich in Ljubljana ankam. Von hier aus trat ich meinen Rückflug nach Wien an.

Koper, 19.7.2008