Nukleare Abrüstung: neue Dringlichkeit, neue Chance

Gerade die Europäer sollten eifrig daran arbeiten, die Fragen der nuklearen Abrüstung auf die politische Tagesordnung zu setzen, und mit der neuen Regierung unter Präsident Obama besteht eine reelle Chance, zu einigen Fortschritten zu kommen.
Die zweite Initiative, die wir diese Woche in Brüssel starteten, betrifft die nukleare Abrüstung. Sicher handelt es sich diesbezüglich um ein altes Thema. Dennoch ist es aus zweierlei Gründen wieder aktuell geworden.

Schritte in Richtung Totalabrüstung

Einerseits haben vier prominente amerikanische Politiker inklusive Ex-Außenminister Henry Kissinger Schritte in Richtung einer Totalabrüstung der nuklearen Waffen verlangt und diese auch nicht als utopisch angesehen. Anderseits besteht die Gefahr, dass durch die Zunahme der Atomkraftwerke mehr und mehr auch die militärische Nutzung der Atomkraft Verbreitung findet. Insbesondere, da mit der Sicherheit und Abschreckung gegen potentielle Feinde argumentiert wird. Und dass der existierende Atomwaffensperrvertrag leider sehr mangelhaft ist, müssen wir immer wieder aufs Neue erleben.
Das ist mit ein Grund, warum ich gegenüber Atomkraftwerken skeptisch bin, aber meine Skepsis wird sie nicht verhindern. Trotzdem können und müssen wir zumindest gegen die für die Welt insgesamt katastrophalsten Gefahren etwas unternehmen. Und da kommt uns die Tatsache entgegen, dass in den USA ein neuer Präsident gewählt wurde. Dieser hat die nukleare Abrüstung zu einem wesentlichen Punkt seines außen- und sicherheitspolitischen Programms gemacht. Hoffentlich wird das auch so bleiben, nachdem er im Jänner seinen Eid ablegt haben wird.

Interesse für enge Zusammenarbeit

Jedenfalls haben wir einen Spitzen-Experten in diesen Fragen aus Obamas Umgebung zu unserer Konferenz „Nuclear disarmament“ nach Brüssel eingeladen und mit ihm auch weitere Schritte der Zusammenarbeit vereinbart. Darüber hinaus hatten wir im Rahmen unserer Tagung eine Video-Konferenz mit einem führenden Kongressmitglied, Ellen Tauscher, die ebenfalls ihr großes Interesse an einer engen Zusammenarbeit mit uns äußerte.
All diese Initiativen stehen allerdings im Gegensatz zur traditionellen These der Notwendigkeit der Atomwaffen zum Zwecke der Abschreckung und damit als Friedensinstrument. Dies wurde von einem hochrangigen Vertreter der Nato vorgetragen, der geradezu lehrbuchhaft die konservative, militärische Sicherheitsstrategie präsentierte. Natürlich waren auch Vertreter der übrigen atomaren Mächte anwesend – von Indien über Großbritannien bis Russland. Sie waren vorsichtig, aber insgesamt haben sie unsere Initiative unterstützt.

Kontrollsystem etablieren

Uns geht es darum, ein multilaterales System in Gang zu setzen, das lückenlos ist und eine genaue Kontrolle ermöglicht. Am besten wäre es, die Anreicherung des Urans nicht einzelnen Staaten zu überlassen, sondern beispielsweise im Rahmen oder jedenfalls unter Überwachung der Internationalen Atomenergiebehörde mit Sitz in Wien vorzunehmen. Dieses Material würde dann den einzelnen Staaten zur friedlichen Nutzung überlassen werden, und zwar jedem Staat, der sich den entsprechenden Kontrollen der Atomkraftwerke und der Verwendung der Abfälle unterzieht.
Es ist zweifellos nicht einfach, ein solches System herzustellen. Aber wenn sich die Länder mit Atomwaffen im Gegenzug dazu verpflichten, ihre nukleare Bewaffnung zu reduzieren und letztendlich abzuschaffen, wäre ein solches System möglich und wirksam. Jedenfalls sollten gerade die Europäer eifrig daran arbeiten, die Fragen der nuklearen Abrüstung auf die politische Tagesordnung zu setzen, und mit der neuen Regierung unter Präsident Obama besteht eine reelle Chance, zu einigen Fortschritten zu kommen. Ich werde mich jedenfalls bemühen, weiterhin diesbezügliche Initiativen zu setzen, um auch von parlamentarischer Seite eine solche Politik einzufordern bzw. zu unterstützen.

Brüssel, 11.12.2008