Trauer und Wut

Wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass uns die Terroristen ein anderes Europa aufzwingen, als jenes, das wir uns erträumt haben.
Diese Straßburgwoche war vom schrecklichen Attentat in Spanien überschattet. Mindestens 200 Tote und Hunderte Verletzte hat die Serie von Bombenanschlägen in den Morgenzügen nach Madrid mit sich gebracht. Die ersten Vermutungen richteten sich sofort gegen die ETA, aber das Ausmaß dieser Anschläge zeigte eher in Richtung Al Kaida. Zur Stunde weiß man noch nichts genaues. Es kann sogar sein, dass die Wahlen in Spanien und vor allem die konservative Fixierung auf die ETA als Hauptverdächtige den wahren Tätern einen Vorsprung vor den Verfolgern verschaffte.

Realismus bei Erweiterung

Der Tränen, die rund um die Trauerkundgebungen Donnerstag Morgen im Europäischen Parlament geflossen sind, gab es viele. Wir alle waren ob dieser grässlichen Terroranschläge erschüttert. Dabei hatte diese Woche so friedlich und erfolgreich begonnen. Eine ernsthafte Debatte über die letzten Kommissionsberichte zur Erweiterung vor dem 1.5.2004 brachte die Erfolge, aber auch die noch zu lösenden Probleme an den Tag. Realistisch sahen die meisten Abgeordneten der Erweiterung entgegen. Die jüngsten Unruhen bei den Roma in der Slowakei waren Anlass zu fordern, dass der Integration dieser Minderheit mehr Augenmerk geschenkt werden muss.

Erfolg bei Transeuropäischen Netzen

Für uns ÖsterreicherInnen im Europäischen Parlament und für mich im besonderen gab es eine hohe Zufriedenheit mit der Abstimmung über die transeuropäischen Netze. Wir konnten eine Mehrheit für zwei zusätzliche Bahnlinien – Prag-Budweis-Linz-Graz und die Semmeringstrecke – gewinnen. Wir wurden von der gesamten sozialdemokratischen Fraktion unterstützt und von Teilen der Europäischen Volkspartei sowie den Grünen und den weit links stehenden Gruppierungen. Die Teile der europäischen Volkspartei, die entgegen ihrer Fraktionslinie unsere Anliegen unterstützten, konnten wir gewinnen, indem wir zusagten, für ihre Anliegen zu stimmen, was durchaus gerechtfertigt war.

Damoklesschwert Terror

Dennoch, momentan herrscht Trauer und Wut über die Attentate in Spanien. Wenn wir nun auch in ganz Europa diesen Terror zu spüren bekommen bzw. wenn dieser Terror wie ein Damoklesschwert über uns hängt, dann ist zu befürchten, dass sich ein anderes Europa entwickelt, ein viel engstirnigeres Europa, das die Sicherheit vor die Freiheit, die Kontrolle vor die Großzügigkeit stellt. Wir müssen mit aller Kraft verhindern, dass uns die Terroristen ein anderes Europa aufzwingen, als jenes, das wir uns erträumt haben.

Wien, 12.3.2004