Unruhige Zeiten

Swob_WienTag_040601_Zinner-232In unserer südlichen Nachbarschaft brodelt es. Der Partner USA hat einen momentanen Sieg errungen, aber ist intern durch den Sieg der Republikaner geschwächt. Russland zeigt gegenüber unserer gemeinsamen Nachbarschaft, insbesondere gegenüber der Ukraine und Georgien, Stärke. In China erleben wir ein neues Selbstbewusstsein. Und Europa?

Unerträgliche Kakophonie

Von einem gemeinsamen Handeln ist kaum etwas zu bemerken. Statt Fortschritte in Richtung gemeinsamer Außenpolitik betreiben etliche große Mitgliedsländer eine Renationalisierung. Das Resultat ist eine unerträgliche Kakaphonie anstelle eines geschlossenen Auftretens.

Die Revolten und Revolutionen in den arabischen Ländern kamen für viele überraschend. Nur mühsam hat sich Europa auf die Seite des Widerstands gegen die autokratischen und diktatorischen Regime geschlagen. Auch die militärische Verteidigung der Widerstandskämpfer in Libyen wurde erst spät beschlossen und in Angriff genommen. Aber eine militärische Lösung allein ist nicht möglich. Parallel dazu müssen politische Initiativen gesetzt werden, um eine Teilung des Landes zu verhindern. Auch muss der Druck auf das Regime in Syrien erhöht werden.

Die Türkei als Partner

Gerade in dieser Phase der Entwicklungen in den islamisch/arabischen Ländern sollten wir die Türkei einladen, gemeinsam mit der EU den Demokratisierungsprozess zu unterstützen. Auch wenn die Türkei im eigenen Land noch Aufgaben der demokratischen Reformen zu erledigen hat, so kann sie doch auch ihre Erfahrungen weitergeben.

Wir sollten die nächsten Jahre der Beitrittsgespräche dazu nützen, uns näher zu kommen und nicht dazu, uns gegenseitig vorzuwerfen, dass wir nicht so schnell weiterkommen, wie von vielen erwartet. Die Beitrittsverhandlungen werden mit offenem Ausgang geführt. Entscheidend ist die Bereitschaft, unsere außenpolitischen Ziele und Aktivitäten in der östlichen Nachbarschaft, aber vor allem im Mittelmeerraum, abzustimmen und zu koordinieren.

Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang bringen

Die Glaubwürdigkeit unserer Allianz mit den arabischen Demokratiebewegungen hängt aber auch davon ab, ob wir fähig und bereit sind, den Friedensprozess im Nahen Osten wieder in Gang zu bringen. Die Vereinbarung von Fatah und Hamas ist eine gute Voraussetzung dafür, dass es auf palästinensischer Seite einen, und zwar einen handlungsfähigen, Verhandlungspartner gibt. Nur durch entschlossenes Handeln der EU kann Israel dazu bewegt werden, ernsthafte Gespräche aufzunehmen. Und nur durch ein ebenso entschlossenes Handeln können alle palästinensischen Bewegungen motiviert werden, dem Terrorismus abzusagen und eine Friedenslösung durch Verhandlungen anzustreben. Die Absage an den Terrorismus und die Übernahme von Verantwortung ist auch die Grundlage für eine Anerkennung eines palästinensischen Staates.

Geschwächter Obama

Auch die USA müssten bewegt werden, neue und tragfähige Initiativen im Nahen Osten zu setzen. Und die können nur in Richtung eines unabhängigen palästinensischen Staates gehen. Die Unterstützungen der Demokratiebewegungen und eine klar erkennbare Friedensstrategie sind die besten Voraussetzungen für einen erfolgreichen Kampf gegen den Terrorismus. Die Tötung von Osama Bin Laden kann eine solche Politik nicht ersetzen.

Auch kann der Tod von Osama Bin Laden nicht darüber hinweg täuschen, dass Obama durch den Sieg der Republikaner und insbesondere der Tea Party-Bewegung geschwächt wurde. Die neue Mehrheit zeigt kein Interesse an einer multilateralen Außenpolitik und vor allem hat sie kein Interesse daran, die Zusammenarbeit mit Europa zu stärken. Umso mehr müsste Europa seine Stärke in die globale Politik einbringen.

Schwierige Partnerschaft mit Russland

Russland hat sich wirtschaftlich noch lange nicht erholt. Aber es versucht, sich wieder stärker als Weltmacht mit Recht auf eine Einflusssphäre in Erinnerung zu rufen. Das betonte das Land jüngst gegenüber Georgien. Vor allem forderte es jüngst die Ukraine auf, der Zollunion mit Russland, Weißrussland und Kasachstan beizutreten. Damit würden aber die wirtschaftlichen Beziehungen mit der EU erschwert und die Freihandelszone unmöglich gemacht werden.

Die EU muss klar machen, dass eine solche Haltung der angestrebten Partnerschaft zwischen der EU und Russland widerspricht. Genauso wie die nach wie vor verfolgte Politik gegen die EU-Politik der Diversifizierung und neue Pipelines wie Nabucco. Wir dürfen keine exklusiven und speziellen Interessensphären anerkennen. Partnerschaft bedeutet gemeinsames Handeln und Respekt aller unserer Nachbarn und derer autonomen Entscheidungen.

Selbstbewusstes China

Auch China tritt mit verstärktem Selbstbewusstsein auf der Weltbühne auf. Manche sprechen von Neo-Imperialismus bzw. von einem Neo-Maoismus. Dabei geht es einerseits um eine relativ aggressive Strategie der Rohstoffversorgung und des Ausbaus von Versorgungsstützpunkten inklusive Häfen. Diese „selbstbewusste“ Haltung zeigt sich auch in manchen für uns unverständlichen und inakzeptablen Vorgangsweisen gegen Künstler, Intellektuelle etc. China hat, so wie andere Staaten insbesondere aus der BRIC-Gruppe, Anrecht auf Respekt und Teilhabe an der global Governance. Aber wir müssen auch an die Verantwortung dieses großen Landes appellieren. An die Verantwortung für die demokratischen, sozialen und ökologischen Rechte des chinesischen Volkes und an die Bereitschaft, die Interessen und Rechte der Nachbarn zu respektieren.