USA Tagebuch 2/I: Schulter an Schulter

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Washington

Ich befinde mich wieder auf dem Weg in die USA, diesmal mit der offiziellen Delegation des EU-Parlaments, um vor allem unsere KollegInnen aus dem Kongress zu treffen. Es geht also um den sogenannten „Transatlantischen Dialog der Gesetzgeber“. Daher geht es auch um eine Reihe von Themen, die uns als europäische Gesetzgeber interessieren, allerdings auch um außen- und sicherheitspolitische politische Fragen.

„Shoulder to Shoulder“

Weniger Tage vor unserem Dialog in Washington und New York veröffentlichten mehrere amerikanische und europäische Institute/Think Tanks einen neuen Bericht zur Zusammenarbeit zwischen der USA und der EU unter dem Titel: Shoulder to Shoulder: Forging a Strategic US-EU Partnership.
Die Autoren dieser Studie gehen davon aus, dass die Zeit reif ist für eine Erneuerung der Zusammenarbeit und Weiterentwicklung in Richtung einer strategischen Partnerschaft. Es bräuchte einen „acquis Atlantique“, an den sich beide halten müssten. Zehn Initiativen sollten ergriffen werden, um diese Ziel zu erreichen.

Konzept der inneren Sicherheit und des transatlantischen Marktes

An der Spitze steht die Schaffung eines „gemeinsamen Raumes des Rechts, der Freiheit und der Sicherheit“. Gerade diesbezüglich sind aber die unterschiedlichen Auffassungen besonders groß. Das merkt man generell bei der Terrorismusbekämpfung und bei Fragen der Übertragung und Speicherung von persönlichen Daten. Allein die inquisitorischen Fragen, bevor ich diesmal das Flugzeug in Brüssel bestieg – es handelte sich um eine amerikanische Fluglinie – zeigt die hysterische Herangehensweise amerikanischer Behörden. Und das, obwohl ich ohnedies ein offizielles amerikanisches Visum besitze. Aber sicherlich wäre es hilfreich, könnten wir uns mit den USA auf ein vernünftiges Konzept der Inneren Sicherheit einigen.
An zweiter Stelle steht die Herstellung eines „barrierefreien Transatlantischen Marktes“. Auch das klingt gut, aber so wie ich das auch im EU-Parlament gefordert habe, müsste es sich um einen Markt auf der Basis einer sozialen Marktwirtschaft handeln. Denn gerade die in der Studie geforderten Verhandlungen über den Abbau von Barrieren bei den Dienstleistungen ist dort problematisch, wo es sich um Dienstleistungen im öffentlichen Interesse handelt, also z. B. bei Gesundheit, Erziehung, Wasserversorgung etc.

Gemeinsame Partnersuche

Bei den Zielen wie: „Reform der globalen Wirtschaftsregelungen“, „Partnerschaft für nachhaltige Energie“, „Effektive Konfliktlösungen“, „Vermehrte Anstrengungen gegen die Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen“ etc. sehe ich weniger grundsätzliche Probleme. Jedenfalls nicht mit einer Regierung Obama und einer demokratischen Mehrheit im Kongress.
Die Studie erkennt aber auch richtig, dass eine verstärkte transatlantische Zusammenarbeit allein zur Gestaltung der globalen Verhältnisse nicht ausreicht. Sie ist eine notwendige Vorraussetzung, um Ziele und Anliegen, die beiden wichtig sind, zu erreichen. Aber wir brauchen weitere Partner. Und da ist es sicher besser, wir betreiben die Partnersuche zusammen und nicht gegeneinander. Allerdings setzt dies eben voraus, dass wir gemeinsame Vorstellungen haben. Jedenfalls sollten wir uns nicht von den anderen Großen dieser Welt wie Russland und China bzw. den Schwellenländern ausspielen lassen. Auch nicht von der vereinten Kraft der Ärmsten dieser Welt. Wir sollten vielmehr von vorhinein eine Politik betreiben, die auch ihren berechtigten Anliegen entgegenkommen.

Machtverlust des „Westens“

Die Erweiterung der Gipfeltreffen auf G-20 Treffen ist ein Schritt, die Reform von Weltbank und Internationalem Währungsfonds müsste ein zweiter Schritt sein. Und mit einer Reform des Sicherheitsrates müsste es weitergehen etc. Dagegen kann man einwenden, dass das zu einem Machtverlust des „Westens“ führt. Das ist richtig, aber unvermeidlich, denn die gegenwärtigen Stimmgewichtungen sind extrem unfair und damit immer weniger effektiv. Umso mehr müssen die EU und die USA danach trachten, ihre Gewichte und Stimmen zusammen zulegen und einzusetzen. Denn nur dann wird es möglich sein, unsere Interessen, ob es sich um Arbeitsplätze und soziale Sicherheit, um nachhaltige Umweltbedingungen und verminderten CO 2 etc. handelt, durchzusetzen.

Washington, 3.12.2009