USA Tagebuch 2/IV: Auch das ist Amerika

New York

New York

Auf der Zugfahrt von Washington nach New York bekamen wir auch das andere Amerika zu sehen: verfallenen Häuser, kaputte Straßen und ärmlich gekleidete, meist schwarze Menschen. Nach allen Daten sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse in den USA nicht nur nach wie vor groß, sondern sogar gestiegen. Allerdings soll sich Europa nicht allzu schnell auf die Schultern klopfen.
Jedenfalls hat die Wirtschaftskrise nicht geholfen, die Verhältnisse zu verbessern. Zwar haben einige superreiche auch durch die Finanzkrise Einbußen hinnehmen müssen. Aber sie sind schon wieder dabei, Geld anzuhäufen. Die Arbeitslosigkeit ist jedenfalls gestiegen, und damit wurden auch neue Armutsverhältnisse geschaffen.

Je niedriger die Ausbildung, desto höher die Arbeitslosigkeit

Dieser Tage kam jedoch ein kleiner Hoffnungsschimmer. Die Arbeitslosenrate in den USA ist leicht zurückgegangen: von 10,2 auf 10%. Allerdings kommt eine versteckte Arbeitslosigkeit von über 9 % hinzu, wenn man jene berücksichtigt, die kurzarbeiten müssen, aber eine volle Beschäftigung haben wollen. Es zeigt sich aber auch, dass je niedriger die Ausbildung, desto höher die Arbeitslosigkeit ist, und zwar dreimal so hoch bei niedrigem Ausbildungsstatus als bei hohem. Und es zeigt sichaußerdem – und wahrscheinlich besteht da ein Zusammenhang –, dass die Anzahl der Industriearbeitsplätze nach wie vor zurückgeht und dass ein kleines Wachstum nur bei bestimmten öffentlichen und privaten Dienstleistungen zu verzeichnen ist.
Natürlich gibt es eine Debatte darüber, inwiefern das Konjunkturpaket für die leichte Änderung der Situation verantwortlich ist. Die Regierung bejaht das natürlich und die Republikaner verneinen das. Klar allerdings ist, dass der schmale Silberstreifen am Horizont noch nicht endgültig sein muss. Daher muss ein vorzeitiges Abgehen von einer öffentlichen Konjunkturstützung vermieden werden.

Finanzmarktaufsicht vorantreiben

Was die langfristige Entwicklung betrifft, so kamen wir in der Diskussion mit den US-Kongress Mitgliedern immer wieder auf die Notwendigkeit einer „grünen“ nachhaltigen Strategie zur Schaffung von Arbeitsplätzen zurück. Allerdings muss ich einer Kongressabgeordneten aus Houston zustimmen, die meinte, der Strukturwandel gehe nicht so schnell, dass die Arbeitsplätze in den traditionellen Sektoren durch die neuen grünen Arbeitsplätze ausgeglichen würden. Das spricht aber eher dafür, mit der Umstrukturierung sobald als möglich zu beginnen und sie nicht aufzuschieben. Bei der Autoindustrie kamen wir sicher zu spät. Und das spüren wir sowohl in Europa als auch in den USA.
Gleichzeitig müssen wir die Reform der Finanzmärkte bzw. der Finanzmarktaufsichten vorantreiben. Da besteht zwischen den USA und der EU zweifellos ein fruchtbarer Dialog, wenngleich die beiden Gesetzgebungen nicht völlig gleichgerichtet sind. Entscheidend ist aber, dass wir beide befähigt werden, Fehlentwicklungen früher zu erkennen und auch rascher einzugreifen. Derzeit ist das allerdings noch nicht gewährleistet.

New York, 4.12.2009