USA Tagebuch 2/V: Transatlantischer Dialog

RIMG0487Selbstverständlich hatten wir auch einige außenpolitische Debatten – von Russland bis zum Nahen Osten. Und da zeigten sich doch einige deutliche Unterschiede in den Auffassungen. Hinsichtlich des Nahen Ostens waren die Wortmeldungen der USA-KollegInnen von einer extremen israelischen Position dominiert. Ein deutscher Kollege meinte, für sie wären die Position von Mitgliedern der israelischen Knesset nicht radikal genug. Und das ist natürlich ein Hemmnis für eine erfolgreiche Vermittlungsrolle von Präsident Obama. Solange die israelischen Regierungen wissen, dass eine ausgeglichenere Haltung der Regierung im eigenen Land, insbesondere im Kongress, keine Unterstützung findet, so lange können sie dem Druck aus Washington standhalten. Interessant war, dass auch die konservativen, pro-israelischen Abgeordneten aus Europa viel kritischer z.B. gegenüber dem Bau weiterer Siedlungen waren als die zurückhaltendsten der US-Abgeordneten.

Problemfaktor Iran

Diese grundsätzliche Einstellung hatte natürlich auch Einfluss auf die Haltung zum Iran. Ich machte darauf aufmerksam, dass die Entwicklung einer nuklearen Kapazität schon unter dem Schah begonnen hat. Der Iran hatte sich immer als eine wichtige regionale Macht betrachtet und die Missachtung durch den Westen stets kritisiert. Nach der Revolution hatte die iranische Führung die Atomwaffen sogar geächtet. Allerdings wurde diese Haltung bald geändert. Und vor allem, nachdem die Revolutionsgarden ihren Einfluss verstärkten, wurde die Atomwaffe immer mehr ein Instrument zur Stabilisierung der Macht im Lande selbst.
Schon unter Bush wurde begonnen, es mit einem Dialog zu beginnen und dem iranischen Volk gegenüber mehr Respekt zu zeigen. Aber bei den letzten Wahlen hat die iranische Regierung dem eigenen Volk gegenüber keinen Respekt gezeigt. Gerade in den letzten Wochen hat sich die Situation leider verschlechtert. Der Druck im Inneren wurde nicht leichter und die Verfolgung der nuklearen Ziele wurde immer offensiver vertreten. Was sollen wir tun?

Drei prinzipielle Möglichkeiten

Ich meinte in der Debatte, dass es im Prinzip drei Möglichkeiten gibt: Erstens kann man die wahrscheinliche Entwicklung einer Bombe einfach hinnehmen und sich wappnen, einen eventuellen Angriff derart mit einem Gegenschlag zu bedrohen, dass der Iran gar nicht auf die Idee kommt, die Atombombe für einen Erstschlag in Verwendung zu bringen. Die bestehenden Atommächte der Region (Israel, Pakistan, Indien, Russland) und auch die USA können das sicher tun.
Allerdings könnten die anderen regionalen Nicht-Atommächte versucht sein, ebenfalls eine nukleare Kapazität aufzubauen. So würde ein regionales Wettrennen um eine atomare Bewaffnung beginnen, und das in einer ohnedies sehr fragilen und konfliktreichen Region. Es sei denn, diese Länder bekämen einen nuklearen Schutzschild durch die großen Atommächte.

Pattszenario

Die zweite Strategie besteht in dem Versuch, die atomaren Anlagen durch Bombenabgriffe zu zerstören. Aber was ist, wenn sie wieder aufgebaut werden? Und was ist, wenn ein solcher Angriff zu einem Flächenbrand in der Region wird – mit Auswirkungen jedenfalls bis nach Europa? Schon wieder, würden viele Muslime argumentieren, wird ein islamisches Land militärisch angegriffen. Und im Iran selbst würde jedenfalls nicht die Opposition gestärkt werden – wie das einige amerikanische KollegInnen in der Diskussion meinten –, sondern die Bevölkerung würde zusammengeschweißt werden und sich hinter der Führung scharen. Opposition würde noch schwieriger werden.
Sanktionen?

Die dritte Variante, die ich anführte, ist die Verhängung schärferer Sanktionen. Auch diese Variante hat ihre Tücken. Wirtschaftliche Sanktionen sind nur dann wirksam, wenn sie von allen wichtigen Wirtschaftspartnern gleichzeitig verhängt werden. Aber sind Russland und China bereit dazu? Und Sanktionen können im Inneren des Landes ein ähnliches Ergebnis haben wie der militärische Angriff: alle scharen sich hinter der Führung. Solche Maßnahmen werden kaum als Angriff auf die Führung gesehen, sondern meist als Angriff auf die Bevölkerung. Dafür sorgt auch schon die Propaganda der herrschenden Klasse.
Weiters muss man sich darauf gefasst machen, dass das iranische Militär versuchen wird, die Meerenge der „Strasse von Hormus“, durch die viele Erdöltransporte müssen, zu blockieren. Damit würden eine schwierige regionale Situation, aber auch Probleme der globalen Energieversorgung geschaffen werden – und das in einer Zeit eines gewünschten Wirtschaftsaufschwungs, in der es keine neue Krise am Erdöl- und Erdgassektor braucht.

Nur der Dialog kann zählen

Keine dieser Alternativen ist also zufriedenstellend, und daher ist es verständlich, dass schon in den letzten Phasen der Bushadministration versucht wurde, mit dem Iran in einen Dialog zu treten. Allerdings, der Iran ist entweder unfähig oder unwillig, diesen Dialog mit dem Westen zu führen. Und das kann uns in der nächsten Zeit noch große Probleme bereiten.
Die amerikanischen KollegInnen jedenfalls drängten auf scharfe und radikale Maßnahmen. Nach meiner Wortmeldung meinten allerdings einige von ihnen, dass die Konsequenzen all dieser Alternativen wohlüberlegt werden müssten. Aber auch bei dieser Frage zeigte sich, dass die zurückhaltende und vorsichtige Haltung von Präsident Obama im Kongress nicht auf ungeteilte Zustimmung stößt – nicht zuletzt bei den Demokraten.

Ohne Russland geht es nicht

Was nun Russland betrifft, war die Diskussion etwas ausgewogener. Die amerikanischen KollegInnen konnten sich dem Vorschlag Obamas, mit Russland einen Neuanfang zu beginnen, anschließen. Ich selbst vertrat eine illusionslose, zugleich pragmatische und grundsatztreue Haltung. Und das ist aus meiner Sicht auch die einzig zielführende und konsensuale Haltung. Wenn z. B. Präsident Medwedew seinen ursprünglichen Sicherheitsplan konkretisiert hat, dann muss man vorsichtig sein. Denn einerseits ist Russland völlig zuzustimmen, wenn es einen Dialog über alle Sicherheitsfragen fordert. Aber anderseits kann es kein Vetorecht gegen Entscheidungen einzelner Länder in ihrer Nachbarschaft oder der EU oder der Nato geben.
Und dabei ist es sicherlich gut, dass sich die USA und Europa abstimmen. Denn auch wenn Russland immer wieder betont, dass Sicherheitsfragen nicht ohne Amerika gelöst werden können, wären sie natürlich glücklich, könnten sie uns auseinanderdividieren. Entscheidend ist aber die Zusammenarbeit in konkreten Fragen. Die Energiefrage ist dabei von besonderer Bedeutung. Die gemeinsamen Sicherheitsinteressen von USA und EU sprechen sicher dafür, die Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen zu verringern. Aber auch hier muss man realistisch sein. Einerseits wird Russland in der Energieversorgung immer ein wichtiger Versorger bleiben. Anderseits ist Russland von den Erlösen der Energieexporte abhängig, und die meisten Ausfuhren, insbesondere von Gas, gehen nun mal nach Europa.

Auch die Ukraine einbeziehen

Jedenfalls kann der Dialog mit der jetzigen amerikanischen Administration auch helfen, einige unserer eigenen Radikalen hinsichtlich der Haltung zu Russland zu einer pragmatischen Einstellung zu verhelfen. Jedenfalls bin ich froh, dass Obama eine pragmatische Linie vorgibt, zu hoffen bleibt, dass Russland das auch honoriert.
Ich machte aber in der Diskussion aufmerksam, dass wir gemeinsam auch mit der Ukraine offen und ehrlich reden müssen. Denn sie trägt an der Energiekrise zumindest einen guten Teil der Schuld. Die Tatsache, dass sich die ukrainischen PolitikerInnen mehr mit sich selber oder „gegen sich selber“ beschäftigen, macht es nicht leichter, Russland zu einer Vertragstreue zu drängen. In der Ukraine müssen endlich die entsprechenden Gesetze erlassen und die wichtigen Investitionsmaßnahmen getroffen werden, um den Energiefluss durch dieses Land auch zu garantieren. Hier können die USA und Europa zweifellos gemeinsam vieles erreichen, auch wenn klar ist, dass Europa sein eigenes Interessen vor allem selbst vertreten muss. Aber eine Unterstützung der USA wäre sicherlich hilfreich.

Resumee

In dieser Form habe ich zum ersten Mal an einem „Transatlantischen Dialog der Gesetzgeber“ teilgenommen. Die formalisierten Diskussionen ließen zuwenig an konkretem Dialog zu. Anderseits konnte man auch ziemlich klar die Unterschiede zwischen den Demokraten und den Republikanern erkennen. Und die Demokraten sind bei aller Freundlichkeit in vielen Fragen – vom Klimawandel bis zur Finanzregulierung – extrem anderer Meinung.
Gegen Ende der Diskussion weigerte sich das führende Mitglied der Republikaner, die erarbeitete Resolution zu unterzeichenen. Das Funktionssekretariat in Washington empfahl das zu tun, weil etliche Formulierungen im Gegensatz zu republikanischen Haltungen standen. Da der Vorsitzende der Delegation bereits abreisen musste, bat er mich, einige Kompromissformulierungen auszuarbeiten, um eine gemeinsame Resolution zu ermöglichen. Das war nicht so schwer, aber die dahinter liegenden Ansichten wie Leugnung des Klimawandels, Kritikverbot an den israelischen Siedlungen, keine globalen Ansätze bei der Finanzmarktregulierung etc. sind für uns Europäer unakzeptabel.

Nicht kompromissfähig

Selbst in Europa haben wir oft Schwierigkeiten, uns zu einigen. Aber die Republikaner, jedenfalls die jetzige republikanische Opposition im Kongress, sind weit entfernt von jeder europäischen Kompromissposition. Ich möchte mir gar nicht ausdenken, was passiert, wenn die Republikaner bei den nächsten Kongresswahlen im Herbst 2010 die Mehrheiten im Kongress zu ihren Gunsten verändern. Daher müssen wir die nächsten Monate soweit als möglich ausnützen, um mit Obama und seiner Regierung zu gemeinsamen Lösungen zu kommen.
Das Problem liegt vor allem im Senat der USA. Denn die 100 Senatoren können, wie es ein demokratischer Abgeordneter ausdrückte, die ganze Welt in Geiselhaft halten, zum Beispiel in Sachen Klimaschutz. Da sie sich weigerten, es dem Repräsentantenhaus gleich zu machen und ein entsprechendes Gesetz zu beschließen, hat es Obama schwer, in Kopenhagen eine klare Zusage zu machen. Da bekommt man den Eindruck, dass sich Europa in machen Fragen schneller einigen kann als der amerikanische Kongress.

New York, 6.12.2009