Wieder mal in Washington

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Washington

Wieder einmal geht es nach Washington. Das Transatlantic Policy Network, das Abgeordnete aus dem EU Parlament und dem Kongress umfasst und auch Vertreter verschiedener „Think Tanks“,  hat zu einer Tagung nach Washington eingeladen. Ich wurde gebeten zwei Diskussionsrunden zu leiten. Im Anschluss daran habe ich einige Mitglieder der sozialdemokratischen Fraktion gebeten, weitere bilaterale Gespräche vor allem mit Mitgliedern des US Kongresses zu führen, um die wichtigsten politischen und wirtschaftlichen Themen, die in beiden Parlamenten derzeit diskutiert werden, zu erörtern.

 

Das politische Klima in Washington hat sich seit meinem letzten Besuch deutlich geändert. Präsident Obama hat die Gesundheitsreform durchgebracht, wenngleich mit vielen Kompromissen. Das gab ihm auch wieder ein stärkeres Selbstbewusstsein. Jetzt versucht er die Reform und Neuregulierung der Finanzmärkte in Angriff zu nehmen. Vor kurzem hat er auch eine entsprechende klare Rede vor Vertretern der Wall Street gehalten und diese gebeten, ihren Widerstand gegen die Reform aufzugeben. In vorderster Reihe bei dieser Rede saßen auch die Chefs von Goldman  Sachs. Nur wenig später erfuhren sie, dass die Börsen Aufsichtsbehörde Anklage gegen sie erheben werde. Viel sahen hier eine koordinierte Vorgangsweise und ein abgekartetes Spiel.

 

Goldman Sachs wird vorgeworfen, ihre Kunden bewusst in die Irre geführt zu haben. Sie hätten Finanzprodukte verkauft, von denen sie gewusst haben oder zumindest annehmen konnten, dass sie den Käufern bald große Verluste einbringen werden. Sie hätten ihren Kunden verschwiegen, dass der hinter den Wertpapieren (oder sollte man lieber Unwertpapiere sagen?) stehende Hedge-Fonds auf  Verlust spekulierten. Es wurden also bewusst schlechte Papiere auf den Markt gebracht und so wurde durch den Verkauf und durch die Spekulation gegen die verkauften Papiere verdient. Verschiedene e- mails, die inzwischen bekannt wurden legen jedenfalls den Verdacht der bewussten Irreführung und des Betrugs nahe. Es wird spannend, was die in Kürze angesetzten  Anhörungen  der Spitzenvertreter von Goldman Sachs im Kongress erbringen werden. Obama kann jedenfalls aus den jüngsten Anschuldigungen eine Unterstützung für seine Reformvorhaben auf den Finanzmärkten ziehen.

 

Nach wie vor aber ist das Verhältnis der Finanzunternehmungen der Wall Street zur Politik problematisch. Denn noch immer fließen enorme Finanzmittel in die Kampagnen der US Abgeordneten. Und da im Herbst 2010 Wahlen in den Kongress stattfinden und überdies der Oberste Gerichtshof  finanzielle Obergrenzen für solche Spenden als verfassungswidrig erklärt hat, wird viel Geld fließen, um die reformwilligen Abgeordneten umzustimmen und jene zu unterstützen, die ohnedies den freien Markt ohne strenge  Regulierung vorziehen. Inzwischen haben die Finanzströme eine,  entsprechende Kurskorrektur vorgenommen, viel mehr geht nun in Richtung der Republikaner, von denen man sich mehr Verständnis für die „Nöte“ der Wall Street erwartet.

 

Was den Klimaschutz betrifft, so stehen die Dinge derzeit auch nicht zum Besten. Knapp bevor Senator John Kerry einen mehrheitsfähigen Kompromiss im Senat vorstellen wollte, ist  der republikanische Senator Lindsey Graham abgesprungen. Er wandte sich gegen die von Obama angekündigte Reform der Einwanderungsgesetzgebung. So wird auch die global gesehen bedeutsame Klimapolitik erst wieder ein Spielball und  schließlich ein Opfer der US Innenpolitik.